Der Markt für digitale Gesundheitsanwendungen boomt. Auch zahlreiche Demenz-Selbsttests sind per Mausklick verfügbar. Doch wie verlässlich und seriös sind solche Tests? Und woran lässt sich das erkennen? Ein Forschungsteam wollte Licht in den App-“Dschungel” bringen und hat nach Informationen zur Wirksamkeit von Demenz-Selbsttests gesucht. Mit überschaubarem Erfolg.

Nach Angaben der Autor*innen aus Zypern, Großbritannien und Irland handelt es sich um “die erste Überprüfung der Quantität und Qualität von app- und webbasierten Instrumenten zur Selbstbewertung von kognitiven Beeinträchtigungen”. Hintergrund der Arbeit von Anna Pavlina Charalambous und ihrer Kolleg*innen ist auf der einen Seite die “Unterdiagnostik” im Demenz-Bereich: So würde die Erkrankung häufig nicht oder erst spät erkannt, was eine bedarfsgerechte Behandlung erschwere. (Auch eine Veröffentlichung zum Bayerischen Demenz Survey bestätigt dieses Problem.)

Smartphone und drei Tablets

Vorteile und Risiken digitaler Gesundheitsanwendungen

Auf der anderen Seite steige das Angebot der digitalen Gesundheitsanwendungen stetig, ebenso wie die weltweite Internetnutzung, so die Autor*innen. Kombiniert man beides, liegen die Vorteile auf der Hand, darunter Zeit- und Kostenersparnis, ein niedrigschwelliger Zugang und eine Möglichkeit für frühzeitiges Handeln. 

Doch Gesundheits-Apps und -Anwendungen, zumal im Demenz-Bereich, seien auch mit Risiken verbunden: So könnten Ergebnisse von Demenz-Selbstests positiv ausfallen, obwohl gar keine medizinisch relevanten geistigen Beeinträchtigungen vorliegen (”falsch-positive Ergebnisse”) und die Testpersonen stark verunsichern. Auch würde medizinisches Fachpersonal häufig nicht in die Entwicklung einbezogen, und die entsprechenden Tools seien nicht nachweisbar wissenschaftlich geprüft.

Forscher*innen untersuchten 25 Anwendungen

Daher wollten die Autor*innen eine Übersicht zu app- und webbasierten Selbsttests für geistige Beeinträchtigungen und Demenz erstellen, die auch Angaben über die wissenschaftliche Wirksamkeit dieser Tests enthält. Mittels Online-Suche recherchierten sie Apps und Tools, die als Selbsttests zur Überprüfung der geistigen Fähigkeiten entwickelt waren, die als App oder Webanwendung verfügbar waren und die kostenlos oder zu geringen Kosten angeboten wurden. Über zuvor festgelegte Suchbegriffe fanden sie 3.057 Tools, von denen zunächst 39 den Kriterien entsprachen. Nachdem bei späteren Such-Abfragen eine Reihe von Angeboten nicht mehr verfügbar war, überprüften die Autor*innen am Ende 25 Anwendungen.

Kaum Informationen über Wirksamkeit und Verlässlichkeit

In einem zweiten Schritt führten sie per E-Mail eine Umfrage bei den Entwicklern durch, um Daten zur Wirksamkeit zu erhalten. Bei fehlenden Kontaktmöglichkeiten recherchierten sie online. Lediglich für sieben Anwendungen erhielten sie Informationen über die “psychometrische Qualität”, also darüber, welche psychologischen Messverfahren den Tests zugrunde liegen und wie gut die Tests funktionieren. Nur für eine Anwendung lagen ausführlichere, wissenschaftlich nachgewiesene Daten unter anderem zur Wirksamkeit und Verlässlichkeit der Test-Ergebnisse vor.

Autor*innen empfehlen Festlegung von Standards

Das Fazit der  Autor*innen: Die Zahl der digitalen Selbsttests für geistige Beeinträchtigungen nimmt zwar zu, aber die meisten sind von unsicherer Qualität. Sie empfehlen daher, Standards festzulegen und Wege zu finden, um die Zuverlässigkeit der Tests zu vermitteln. Aus ihrer Sicht haben die Entwickler die ethische Pflicht, die psychometrische Qualität ihrer Angebote zu bestimmen und Hilfestellung im Umgang mit den Ergebnissen zu geben. Gesundheits-Apps würden in der Regel in den Bereichen “Gesundheit und Fitness” oder “Medizin” in App-Stores eingeordnet. Diese Begriffe könnten Nutzer*innen dazu ermutigen, die Anwendungen als verlässliche Quellen für medizinische Informationen zu betrachten. Eine formale Regulierung durch nationale Behörden könne hier helfen.

“DIGA” bietet Übersicht zu Apps und Web-Anwendungen

In Deutschland bietet seit kurzem das “Verzeichnis digitale Gesundheitsanwendungen” (DIGA) eine Übersicht zu Apps und browserbasierten Anwendungen, die nach festgelegten Standards geprüft wurden. Sie sind als Medizinprodukt mit niedrigem Risiko CE-zertifiziert, zusätzlich vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im sogenannten “Fast-Track-Verfahren” geprüft und können vom Arzt verschrieben werden. (Weitere Informationen finden Sie hier.)

digiDEM Bayern entwickelt wissenschaftlich geprüfte digitale Angebote

Auch digiDEM Bayern entwickelt zurzeit digitale Angebote für Menschen mit Demenz und pflegende Angehörige. Wissenschaftliche Standards wie der Nachweis über die Wirksamkeit sind dabei fester Bestandteil. So wird etwa die wissenschaftlich geprüfte MAKS®-Therapie in ein Online-Angebot übertragen. Diese Therapie zur Aktivierung von Menschen mit leichter und mittelschwerer Demenz zeigte in Studien günstige Wirkungen, die zum Teil auch noch zehn Monate nach Beendigung der Therapie erkennbar waren. Entwickelt hat sie Prof. Dr. med. Elmar Gräßel, Leiter des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Erlangen und einer der Projektleiter von digiDEM Bayern.

Die vollständige Studie finden Sie hier:
Tools for App- and Web-Based Self-Testing of Cognitive Impairment: Systematic Search and Evaluation (Jan 2020)