Was haben Mundgesundheit und geistige Fähigkeiten miteinander zu tun? Studien zufolge gibt es einen Zusammenhang. So könnten Menschen mit Gedächtnisproblemen auf Dauer schlechtere Zähne haben, weil es für sie schlicht schwieriger wird, etwa regelmäßig ans Zähne putzen zu denken. Eine Studie aus Großbritannien hat nun gezeigt, dass sich die geistigen Fähigkeiten und die Mundgesundheit älterer Menschen sogar wechselseitig beeinflussen. 

Im Alter können sich die geistigen Fähigkeiten ebenso wie die Mundgesundheit verschlechtern, so das Forscherteam um Jing Kang von der Universität Leeds. Häufig hänge auch beides miteinander zusammen. Die bisherige Studienlage zum Thema bewerten die Forscher*innen jedoch als uneinheitlich, zudem seien die Untersuchungen in der Regel einseitig ausgerichtet: Sie analysierten entweder den Einfluss der Mundgesundheit auf die geistigen Fähigkeiten – oder umgekehrt. Mit der aktuellen Studie wollten die Autor*innen daher herauszufinden, ob die beiden Faktoren sich gegenseitig beeinflussen.

Lachender Mann, zu sehen ist nur der Mund.

Angaben über Zeitraum von zehn Jahren untersucht

Dazu werteten sie Angaben von 5.477 Teilnehmenden der britischen “ELSA”-Studie aus,  die seit 2002 die Lebensumstände der Bevölkerung ab 50 Jahren Großbritannien erhebt. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen waren Frauen, das Durchschnittsalter lag bei 63 Jahren. Über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren wurden zu drei Zeitpunkten die Mundgesundheit und die geistigen Fähigkeiten der Teilnehmenden untersucht.

Lebensqualität: problemloses Essen, klare Aussprache, Lächeln ohne Scham

Zur Bewertung der geistigen Fähigkeiten setzten die Wissenschaftler*innen Gedächtnistests ein. Die Mundgesundheit beurteilten sie auf drei Wegen. So untersuchten sie erstens den Zustand der Zähne. Zweitens befragten sie die Teilnehmenden zu ihrer Mundgesundheit und drittens im Hinblick darauf, wie diese sich auf ihre Lebensqualität auswirkt. Haben die Befragten zum Beispiel Probleme beim Essen? Können sie klar und verständlich sprechen? Trauen sie sich frei und ohne Scham zu lächeln?

Auch demographische Informationen wie Alter, Geschlecht und Bildungsstand, mögliche Erkrankungen sowie “Lebensstil”-Faktoren, etwa körperliche Bewegung, Alkohol- und Zigarettenkonsum, bezogen die Autor*innen in ihre Berechnungen mit ein.  

Bessere geistige Fähigkeiten zu frühem Zeitpunkt: bessere Mundgesundheit später

Die Ergebnisse zeigten einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen der Mundgesundheit und den geistigen Fähigkeiten. Die Teilnehmenden, die zu Beginn der Studie über bessere geistige Fähigkeiten verfügten, hatten bei den Nachbefragungen mit höherer Wahrscheinlichkeit auch eine bessere Mundgesundheit. Umgekehrt war eine bessere Mundgesundheit zu Studienbeginn mit besseren geistigen Fähigkeiten bei den weiteren Befragungszeitpunkten verbunden. Einen ähnlichen wechselseitigen Zusammenhang fanden die Forscher*innen zwischen den geistigen Fähigkeiten und der auf die Mundgesundheit bezogenen Lebensqualität.

Parodontose-Keim, Ernährung, Vergesslichkeit

Dies steht den Autor*innen zufolge im Einklang mit früheren, einseitig ausgerichteten Studien. Für den Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und geistigen Fähigkeiten führen sie eine Reihe von Erklärungen an. So sei laut einer aktuellen Studie in Gehirnen von Alzheimer-Patient*innen der Keim “Porphyromonas gingivalis” gefunden worden. Es gebe Hinweise darauf, dass dieser Keim sowohl zu chronischer Parodontose, einer durch bakteriellen Zahnbelag verursachten Entzündung des Zahnfleisches, als auch zu Alzheimer-Erkrankungen führen kann. Zudem könnten zunehmende Vergesslichkeit im Hinblick auf Zahnhygiene und Zahnarzt-Besuche sowie mangelhafte Ernährung eine Rolle spielen.

Behandlungen sollten beide Bereiche im Blick haben

Die Ergebnisse machen nach Ansicht der Autor*innen deutlich, dass für ältere Menschen beides wichtig ist: sowohl die geistigen Fähigkeiten als auch die Mundgesundheit zu erhalten. Sie empfehlen daher Behandlungen und Pflege-Programme, die gleichzeitig beide Bereiche fördern, um den allgemeinen Gesundheitszustand der alternden Bevölkerung zu verbessern.

Hier finden Sie die Studie:
Bidirectional relations between cognitive function and oral health in ageing persons: a longitudinal cohort study (März 2020)