Im Alter treten häufig mehrere Erkrankungen gleichzeitig auf. Es kann zu einer Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten kommen, ebenso zu Schwerhörigkeit und Gebrechlichkeit. Eine Studie aus Japan hat nun den Zusammenhang zwischen diesen drei altersbedingten Beeinträchtigungen unter die Lupe genommen.
Frühere Studien hätten bereits einen Zusammenhang zwischen Hörschädigungen und Demenz gefunden, so Viviana Bonfiglio von der Universität Nagoya und ihre Kolleg*innen. Die Autor*innen sehen dafür vor allem zwei mögliche Erklärungen: So könnten vaskuläre Erkrankungen, also Gefäß-Erkrankungen, eine Verschlechterung sowohl der geistigen Fähigkeiten als auch des Gehörs verursachen. Auch könne Schwerhörigkeit dazu führen, dass Betroffene sich zurückziehen und zunehmend isolieren. Fehlende geistige Anregung von außen wiederum wirke sich mitunter negativ auf den Geisteszustand aus.
Ältere Menschen mit MCI und leichter Demenz untersucht
Darüber hinaus enthalte die aktuelle Forschung auch Belege für einen Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und Gebrechlichkeit bei älteren Menschen. Und Gebrechlichkeit wiederum werde mit geistigen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. Daher könnte für ältere Personen, die sowohl schwerhörig als auch gebrechlich seien, das Risiko für eine Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten höher sein als Personen mit nur einer der beiden Einschränkungen. Vor diesem Hintergrund wollten die Forscher*innen untersuchen, wie sich Schwerhörigkeit auf ältere Menschen mit leichten geistigen Beeinträchtigungen (MCI) und leichter Demenz in Bezug auf unterschiedliche geistige Fähigkeiten auswirkt. Zudem wollten sie vergleichen, welche Rolle eine zusätzlich vorliegende Gebrechlichkeit spielt.
Knapp die Hälfte der Teilnehmenden berichtete über Schwerhörigkeit
Für ihre Studie analysierten sie die Daten von 172 Japaner*innen, die zwischen 65 und 95 Jahre alt waren. Es handelte sich um Patient*innen einer Gedächtnissprechstunde der Uni-Klinik Nagoya, die leichte geistige Beeinträchtigungen oder eine leichte Demenz aufwiesen. Die Teilnehmenden wurden im Hinblick auf ihren geistigen und körperlichen Zustand untersucht, auch Begleiterkrankungen wurden mit einbezogen. Zudem sollten sie Angaben darüber machen, wie gut sie hören können. Knapp die Hälfte von ihnen berichtete über Schwerhörigkeit. Knapp 23 Prozent wurden als gebrechlich und gut 77 Prozent als “normal” (also nicht gebrechlich) eingestuft. Die Wissenschaftler*innen teilten sie dann in vier Gruppen ein: Teilnehmende mit Gebrechlichkeit, mit Schwerhörigkeit, mit beiden Beeinträchtigungen und mit keiner der beiden.
Schlechte Werte insbesondere bei einem speziellen Test
Die Ergebnisse zeigten, dass Personen, die von Schwerhörigkeit betroffen waren, mit größerer Wahrscheinlichkeit unter geistigen Beeinträchtigungen litten als Personen ohne Hörschädigung. Die Wahrscheinlichkeit erhöhte sich noch weiter bei den Teilnehmenden, die schwerhörig und zusätzlich gebrechlich waren. Allerdings beziehen sich die negativen Werte für die geistigen Beeinträchtigungen auf einen speziellen Test: den “Digit Symbol Substitution Test” (DSST). Dabei handelt es sich um einen Test, der mit Papier und Bleistift durchgeführt wird. Die Testperson muss Symbole mit Zahlen nach einem vorgegebenen Schlüssel vergleichen und die Ergebnisse innerhalb einer bestimmten Zeit eintragen. (Weitere Informationen über den DSST finden Sie hier.)
Bewegungs-Geschwindigkeit und “exekutive Funktionen” bewertet
Für die Studie wurde eine ganze Reihe von Tests zur Überprüfung der geistigen Fähigkeiten durchgeführt, doch nur der DSST wies den negativen Zusammenhang zur Schwerhörigkeit auf. Eine Erklärung kann den Autor*innen zufolge sein, dass beim DSST die Bewegungs-Geschwindigkeit und sogenannte “exekutive Funktionen” bewertet werden, also die geistigen Fähigkeiten, die das menschliche Denken und Handeln steuern. Dieser Test zeige als einer der ersten eine Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten an, noch vor dem Beginn einer Demenz. Gerade Bewegungs-Geschwindigkeit und exekutive Funktionen lägen vielen geistigen Vorgängen zugrunde. Ihre Verschlechterung könne daher wichtige Hinweise auf den Zustand des Gehirns geben.
Hier finden Sie die Studie:
A Study on the Relationship between Cognitive Performance, Hearing Impairment, and Frailty in Older Adults (Okt 2020)
Weitere Informationen zum Thema:
digiDEM Bayern-Webinare: “Hören und Demenz” (09.09.2020)
digiDEM Bayern Newsletter zum Thema “Demenz und Hören/Sehen” (16.01.2020)