Mit einem weiteren digitalen Angebot unternimmt digiDEM Bayern, das Digitale Demenzregister Bayern, den nächsten Schritt, um die Lebensbedingungen von Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen in Bayern zu verbessern. Die Forscher*innen haben einen wissenschaftlich abgesicherten Online-Fragebogen entwickelt. Er ermöglicht es nahestehenden Personen von älteren Menschen, deren kognitiven Abbau einschätzen zu können. Der Fragebogen ist kostenfrei nutzbar und bietet einen sehr guten Einstieg hin zu einer umfassenden ärztlichen Diagnostik.
75% der Menschen mit Demenz weltweit leben ohne eine gesicherte Diagnose, so der jüngste Welt-Alzheimer-Report 2021. Eine deutsche Studie berichtet einen ähnlichen Anteil. Demzufolge wissen 60% nicht, dass sie an Demenz erkrankt sind. Oft wird die Diagnose erst sehr spät gestellt. Dabei ist es für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und ihre Angehörigen von großer Bedeutung, frühzeitig Gewissheit zu haben: „Eine zeitgerechte Diagnose verbessert die Lebensbedingungen im Rahmen der späteren Pflege“, erklärt der Neurologe Prof. Dr. med. Peter Kolominsky-Rabas, einer der Projektleiter von digiDEM Bayern. Gefördert wird digiDEM Bayern vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.
Je früher eine Alzheimer-Demenz oder eine andere Form von Demenz erkannt wird, desto früher lernen Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen mit den Krankheitssymptomen umzugehen – und desto früher können Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten in die Wege geleitet werden.
Wissenschaftlich abgesicherter Online-Fragebogen
Deshalb hat das Team von digiDEM Bayern ein weiteres digitales Angebot entwickelt: den Online-Fragebogen IQCODE zur Fremdeinschätzung der Gedächtnisleistung durch Dritte. Mit Hilfe eines speziellen Online-Fragebogens können nahestehende Personen von älteren Menschen deren kognitiven Abbau einschätzen. Bei dem Fragebogen IQCODE handelt es sich um ein weltweit verbreitetes und wissenschaftlich abgesichertes Früherkennungsinstrument für demenzielle Erkrankungen.
Der IQCODE-Fragebogen (Informant Questionnaire on Cognitive Decline in the Elderly, übersetzt: Fragebogen für Bezugspersonen zum kognitiven Abbau bei älteren Menschen) ist ein wissenschaftlich erprobtes Verfahren. In seiner Qualität ist der Fragebogen vergleichbar mit anderen bewährten diagnostischen Fragebögen wie zum Beispiel dem Mini Mental Status Test (MMST). Empfohlen wird der IQCODE-Fragebogen in den „Leitlinien zur Diagnostik von Demenzen“ von NICE, dem National Institute for Health and Care Excellence in England sowie von SIGN, dem Scottish Intercollegiate Guidelines Network.
Ziel ist es, die kognitiven Veränderungen innerhalb der vergangenen beiden Jahre zu erfassen. Erinnert sich der Senior besser oder weniger gut als vor zwei Jahren zum Beispiel an den Geburtstag eines Verwandten? Weiß die ältere Dame heute genauso wie vor zwei Jahren, welcher Tag und Monat es ist? Oder hat sich ihr Erinnerungsvermögen in diesem Zeitraum verschlechtert?
Leicht zugänglich und mehrsprachig
Der kostenfrei nutzbare Online-Fragebogen richtet sich an nahestehende Bezugspersonen des zu beurteilenden älteren Menschen. Ob mit dem PC auf dem Wohnzimmer- oder Küchentisch oder mit dem Mobiltelefon – das neue digitale Angebot von digiDEM Bayern ist bewusst niederschwellig gehalten und außerdem in fünf Sprachen verfügbar: deutsch, englisch, türkisch, russisch und arabisch. Wer die Fragen beantwortet, muss die zu beurteilende Person mindestens seit zwei Jahren kennen.
Das neue digitale Angebot weiß seine Stärke auszuspielen. Als Screeninginstrument kommt es zum Einsatz, wenn ältere Menschen sich zum Beispiel keiner ärztlichen Untersuchung unterziehen oder in Pandemiezeiten persönliche Kontakte reduzieren möchten.
Erster Schritt zu einer weiterführenden Diagnostik
Der Fragebogen zur Beurteilung der kognitiven Fähigkeiten umfasst insgesamt sieben Fragen mit jeweils fünf Antwortmöglichkeiten. Sind die Antworten angekreuzt, erhält jeder, der den Fragebogen nutzt, eine übersichtliche Gesamtbeurteilung. Ist ein bestimmter Richtwert erreicht, wird eine differenzierte und umfassende Abklärung in einer spezialisierten diagnostischen Einrichtung, zum Beispiel in einer Gedächtnisambulanz, empfohlen. Zum Serviceumfang gehört daher auch eine Übersichtskarte über die Standorte bayerischer Gedächtnisambulanzen.
„Der Fragebogen bietet einen sehr guten Einstieg hin zu einer weiterführenden Diagnostik“, erläutert Prof. Dr. med. Peter Kolominsky-Rabas. „Die Beurteilung der Gedächtnisleistung ist ein großer Schritt, um eine Demenzerkrankung schneller abklären zu lassen. Aus wissenschaftlich erhobenen bayerischen Daten wissen wir, dass bis zur Diagnosestellung eineinhalb bis zwei Jahre vergehen können.“ Die spezielle ärztliche Diagnosestellung ersetzt der Online-Fragebogen nicht.
Zeitgerechte Diagnosestellung
„Zum ersten Mal wird Familienangehörigen, Freunden und Ehrenamtlichen die Möglichkeit eröffnet, mit einem wissenschaftlich zuverlässigen Fragebogen die Gedächtnisleistung des nahestehenden Menschen einzuschätzen“, erklärt Prof. Dr. med. Peter Kolominsky-Rabas. Der digiDEM Bayern-Projektleiter betont: „Mit dem Fragebogen unternehmen Angehörige aktiv den ersten wichtigen Schritt zur Anbahnung einer zeitgerechten Diagnosestellung.“
Zum Fragebogen geht es hier.
Die Aufzeichnung unseres Webinars „Beurteilung der Gedächtnisleistung“ finden Sie hier.