Demenzerkrankungen werden zunehmend schon im jüngeren Lebensalter diagnostiziert. Und somit bei Menschen, die noch im Berufsleben stehen. Was bedeutet die Erkrankung für die Situation am Arbeitsplatz? Welche Unterstützung gibt es seitens der Arbeitgeber*innen? Mit diesem Thema hat sich ein Forscherteam aus Großbritannien befasst.
Zwischen 2 und 10 Prozent aller Demenzerkrankungen würden vor dem 65. Lebensjahr diagnostiziert und träfen somit oft Menschen im Berufsleben, schreiben Valerie Egdell von der Northumbira Universität und ihre Kolleg*innen. Am Arbeitsplatz würden Anzeichen der Erkrankung häufig sogar als erstes bemerkt. Die Autor*innen sehen daher Arbeitgeber*innen und Unternehmen in der Verantwortung, Betroffene zu unterstützen – aus gesetzlichen sowie menschenrechtlichen Gründen. Viele Arbeitgeber*innen zögen es jedoch nicht in Betracht, Anpassungen am Arbeitsplatz vorzunehmen, um die Fähigkeiten von Beschäftigten mit Demenz bestmöglich zu nutzen und zu erhalten.
Lärmreduzierung, “Buddy”-System und Auffrischungsschulungen
Ein Leitfaden der gemeinnützigen Organisationen Age Scotland und Alzheimer’s Society enthält Empfehlungen für solche Anpassungen, darunter Lärmreduzierung, persönliche Begleitung („Buddy-System”) und Auffrischungsschulungen. Zudem betont er, wie wichtig stetige Kommunikation und Unterstützung sowie ein würdiger Ausstieg aus dem Berufsleben sind. Mit ihrer Studie wollten die Forscher*innen herausfinden, ob Unternehmen ihrer Verantwortung nachkommen und Mitarbeiter*innen mit Demenz unterstützen.
Dazu führten sie zwei Arten von Befragungen in Schottland durch. Per E-Mail versandten sie eine Online-Umfrage an über 4.500 Arbeitgeber*innen. 331 von ihnen nahmen letztendlich teil, sowohl von kleinen und mittleren als auch von großen Unternehmen. Zusätzlich führten die Forscher*innen ausführliche Interviews mit 30 Vertreter*innen von Unternehmen, darunter Personalchef*innen und Geschäftsführer*innen. Die Auswertung ergab drei Themen-Bereiche:
- Demenz als Thema am Arbeitsplatz: Für die meisten Befragten spielte das Thema Demenz in ihrem Unternehmen keine große Rolle. Auch gab es bei ihnen keine Leitlinien zum Umgang mit Betroffenen. Möglicherweise lag das zum Teil am jungen Altersprofil einiger Unternehmen. “Demenz war nicht auf dem ‘Radar’ derjenigen mit einer jüngeren Belegschaft”, so die Autor*innen. Dennoch kannten sich die Arbeitgeber*innen offenbar mit der Erkrankung aus: Knapp 80 Prozent waren nach eigener Einschätzung gut über mögliche Symptome informiert, in der Regel aufgrund persönlicher Erfahrungen.
- Unterstützung für Beschäftigte mit Demenz: Aus Sicht der befragten Arbeitgeber*innen kann eine Demenzerkrankung bei Beschäftigten etwa die Genauigkeit, die kommunikativen Fähigkeiten, die Belastbarkeit und den Umgang mit Technologien beeinträchtigen. Die Mehrheit stimmte zu, dass Unternehmen „angemessene Anpassungen“ vornehmen sollten, um Betroffene zu unterstützen. Dazu zählten der Wechsel von Verantwortlichkeiten, die Bereitstellung zusätzlicher Unterstützung (personell oder technisch), flexibles Arbeiten und Versetzungen. Wenn es jedoch um die finanziellen Auswirkungen solcher Maßnahmen ging, zeigte eine beträchtliche Anzahl der Befragten Vorbehalte.
- Entwicklung von Richtlinien: Die befragten Arbeitgeber*innen hielten demenzspezifische Richtlinien größtenteils für nicht erforderlich, da sie zu einem “Wildwuchs” an verwässerten Richtlinien führen könnten. Stattdessen waren sie der Meinung, dass die allgemeinen betrieblichen Gesundheitsmaßnahmen ausreichten.
Die Ergebnisse zeigen aus Sicht der Autor*innen, dass das Bewusstsein für Demenz in Unternehmen zwar vorhanden ist, aber nicht auf konkrete Beschäftigungssituationen angewendet wird. Es habe nur wenige Hinweise darauf gegeben, dass die Rechte von Mitarbeiter*innen mit Demenz konsequent gewahrt würden. Daher empfehlen die Forscher*innen entsprechende Schulungen für Arbeitgeber*innen. Sie betonen, wie wichtig es ist, die fortbestehenden Möglichkeiten und Fähigkeiten von Beschäftigten mit Demenz zu unterstützen und die gesetzlichen Rechte von Betroffenen anzuerkennen.
Hier geht es zur Studie:
Dementia in the workplace: are employers supporting employees living with dementia? (Sept 2019)