Weltweit 75 Prozent aller Menschen mit Demenz leben mit der Erkrankung, ohne dass diese überhaupt diagnostiziert wurde. Damit ist Demenz häufig unterdiagnostiziert – vor allem, weil das Wissen um die Erkrankung und deren Symptome fehlt. Dies wirft die Frage auf, wo genau sich Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und Menschen mit Demenz informieren und welchen Quellen sie vertrauen. Wissenschaftler des Digitalen Demenzregisters Bayern (digiDEM Bayern) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zeigen, welche Quellen für Gesundheitsinformationen – wie zum Beispiel Zeitungen, Radio und das Internet – Betroffene bevorzugen und über welche Wege sie am besten erreicht werden können. Die Forschungsergebnisse unterstreichen die Bedeutung der persönlichen, zwischenmenschlichen Kommunikation mit Familie und Freunden sowie mit Ärztinnen und Ärzten. Als wenig relevante und vertrauenswürdige Quelle wird hingegen das Internet eingeschätzt.
Mit der Studie haben die Forschenden rund um Erstautor Florian Weidinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei digiDEM Bayern, Neuland betreten. Denn bislang wurde noch nicht erforscht, welche Quellen für Gesundheitsinformationen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen nutzen und wie sie diese bewerten.

Bei knapp drei Viertel der deutschen Bevölkerung ist die Gesundheitskompetenz eingeschränkt. „Gesundheitskompetenz bedeutet, sich Informationen zu beschaffen, diese verstehen und beurteilen zu können und damit zur Verbesserung der eigenen Gesundheit beizutragen“, sagt Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas, Neurologe und digiDEM Bayern-Projektleiter. Deshalb ist es wichtig, die Gesundheits- und „Demenzkompetenz“ gerade bei älteren Menschen aufzubauen oder zu stärken. Damit dies gelingt, ist die Qualität und Glaubwürdigkeit der Informationen entscheidend: „Es macht einen großen Unterschied, ob ich zum Beispiel mit einem Arzt oder mit dem besten Freund spreche oder ob die Information aus einer fragwürdigen Quelle stammt“, erklärt Florian Weidinger.
Acht unterschiedliche Informationsquellen
Untersucht hat das Team um Florian Weidinger acht unterschiedliche Informationsquellen: Internet, Fernsehen/Radio, Bücher/Broschüren, Kurse/Vorträge, Zeitung/Zeitschriften, Familie/Freunde, Apotheke und persönlicher Arztbesuch. „Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen spielt unter anderem die Vertrauenswürdigkeit der verschiedenen Quellen eine ganz entscheidende Rolle“, fasst Florian Weidinger zusammen.
Er erläutert, welche Quellen für die Studienteilnehmenden besonders bedeutsam waren: „Der Austausch mit Familie und Freunden und das persönliche Gespräch zum Beispiel mit einer Ärztin oder einem Therapeuten stehen für die Betroffenen an erster Stelle.“ So hielten 33 Prozent der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen den persönlichen Arztbesuch für eine „sehr wichtige“ Quelle; für etwa drei Viertel galt das Arztgespräch als mindestens „wichtig“.
Traditionelle Medien spielen wichtige Rolle
Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich in der Kategorie Familie/Freunde. Um sich über das Thema Gesundheit und konkret auch über Demenz zu informieren, sind für knapp 40 Prozent der Studienteilnehmenden Familienmitglieder und Freunde als „sehr wichtige Quelle“ ausschlaggebend. Traditionelle Medien wie Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften sowie Bücher folgten gleich auf den nächsten Plätzen.
Internet abgeschlagen
„Am schlechtesten bewerteten Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen das Internet sowie Kurse und Vorträge“, sagt Florian Weidinger, wobei mit über 60 Prozent mehr als die Hälfte der Teilnehmenden das Internet noch nie genutzt hat. „Als Gründe gaben die Befragten an, sich grundsätzlich nicht für das Internet zu interessieren und dass ihnen das Internet zu kompliziert erscheint. Viele waren auch der Meinung, dass das Internet ihnen keine Vorteile bietet oder traditionelle Medien ausreichten, um sich zu informieren.“
Dennoch zeichnet sich ein Trend ab, wie Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas betont: „Aufgrund der fortschreitenden Verbesserung der digitalen Kompetenz älterer Erwachsener wird das Internet in Zukunft als Quelle für Gesundheitsinformationen an Bedeutung gewinnen. Diese Entwicklung belegt eindeutig der Achte Altersbericht der Bundesregierung „Ältere Menschen und Digitalisierung“.
Unterschiede bei Alter und Geschlecht
Je nach Alter zeigten die Ergebnisse deutliche Unterschiede auf. Während jüngere Betroffene das Internet und Kurse/Vorträge noch etwas höher bewerten, sank die Bedeutung dieser beiden Quellen mit zunehmendem Alter. Dagegen stieg die Relevanz von Familie und Freunden als Informationsquelle im höheren Alter und mit dem Fortschreiten der Erkrankung deutlich an. Frauen bewerten fast alle Informationsquellen – mit Ausnahme des Internets – höher als Männer.
Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment, MCI) schätzten die meisten Informationsquellen als wichtiger ein als dies Menschen mit Demenz taten. Letztere verlassen sich stärker auf Familie und Freunde sowie auf Medien wie Fernsehen und Radio.
Über die Studie:
Analysiert wurden die Daten von insgesamt 924 Menschen mit MCI und mit Demenz, die zwischen August 2020 und Juli 2023 an dem Forschungsprojekt teilgenommen haben. Ihr Alter lag zwischen 54 und 102 Jahren. Die Teilnehmenden bewerteten die acht verschiedenen Informationsquellen auf einer Skala von „unwichtig“ bis „sehr wichtig“. Die Studie ist Teil des laufenden Projekts „Digitales Demenzregister Bayern – digiDEM Bayern“. Das Digitale Demenzregister Bayern ist eine sogenannte Längsschnittstudie, die in allen Regierungsbezirken Bayerns durchgeführt wird.
Service für Leserinnen und Leser:
Die digiDEM Bayern Demenzbibliothek® ist ein umfassendes und frei zugängliches Wissensportal, das fundierte, wissenschaftlich abgesicherte und allgemeinverständlich aufbereitete Informationen rund um das Thema Demenz einem breiten Publikum zur Verfügung stellt. Ziel des Angebots von digiDEM Bayern ist es, die Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung zu stärken, über Demenzrisiken aufzuklären, aber auch zur Demenz-Früherkennung beizutragen und die Versorgungssituation von Menschen mit Demenz und ihren pflegenden An- und Zugehörigen zu verbessern.
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Auch der von digiDEM Bayern entwickelte Wissenstest Demenz ist ein Weg zu mehr Gesundheitskompetenz. Der kostenfreie Online-Test umfasst 30 Fragen und Antworten, zum Beispiel aus den Bereichen Risikofaktoren, Pflege und Betreuung sowie Symptome oder Krankheitsverlauf.
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Originalstudie: