Menschen, die von einer fortgeschrittenen Demenz betroffen sind, haben eine überwiegend gute Lebensqualität. Und zwar unabhängig davon, ob die Erkrankung bei ihnen früh oder spät begonnen hat oder ob sie zu Hause oder in einem Pflegeheim betreut werden. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler*innen der Technischen Universität München.

Prof. Janine Diehl-Schmid, Dr. Julia Hartmann und Dr. Carola Roßmeier aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München haben mit dem “EPYLOGE”-Forschungsprojekt die Palliativversorgung von Patienten mit fortgeschrittener Demenz untersucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in zwei Studien in der Fachzeitschrift Journal of Alzheimer’s disease.

Qualität des Lebens und Sterbens untersucht 

Beide Studien stellen die Unterschiede zwischen Menschen mit früh und spät einsetzender Demenz dar sowie zwischen Betroffenen, die zuhause und in Einrichtungen leben. Im Mittelpunkt stehen die Fragen: Wie ist die Lebensqualität der Betroffenen? Und: Wie sterben die Betroffenen?

 Die Forscher*innen besuchten fast 200 Menschen mit Demenz im Heim und zu Hause. Bei 93 von ihnen hatte die Erkrankung früh eingesetzt, bei 98 erst spät. Außerdem führten die Wissenschaftler*innen ausführliche Interviews mit 100 Hinterbliebenen von kürzlich verstorbenen Menschen mit Demenz, um von den besonderen Problemen, Bedürfnissen und Wünschen der pflegenden Angehörigen zu erfahren. Die Gespräche ermöglichten einen tiefen Einblick in die Versorgungssituation am Lebensende.

Geringe Unterschiede in der letzten Lebensphase 

Ein unerwartetes, jedoch beruhigendes Ergebnis der Studie: Die Lebensqualität der befragten Personen mit fortgeschrittener Demenz war überwiegend gut bis sehr gut. Dies galt unabhängig davon, ob sie an einer früh oder spät beginnenden Demenz litten oder ob sie zu Hause oder in einer Pflegeeinrichtung betreut wurden. “Damit konnte die Annahme widerlegt werden, dass Menschen mit früh beginnender Demenz in unserem Gesundheitssystem, das auf Ältere zugeschnitten ist, weniger gut versorgt sind”, erklären die Forscher*innen.

Am Lebensende gab es nur geringe Unterschiede zwischen Patient*innen mit früh und spät einsetzender Demenz. Diejenigen, bei denen die Erkrankung früh begonnen hatte, hatten weniger körperliche Begleiterkrankungen. Zudem wurden sie während der letzten drei Lebensmonaten seltener in ein Krankenhaus eingewiesen. Insgesamt wurden 38 Prozent der Befragten mit fortgeschrittener Demenz während der letzten drei Lebensmonate mindestens einmal stationär behandelt. 

 Krankenhausaufenthalte: „katastrophal“ bis „außerordentlich positiv“ 

Die Angehörigen erlebten die Krankenhausaufenthalte sehr unterschiedlich – von „katastrophal“ bis „außerordentlich positiv“. Die positiven Erfahrungen bezogen sich vor allem auf demenzfreundliche Krankenhäuser und Stationen mit palliativer Fachkenntnis sowie der Möglichkeit des „Rooming in”. Dabei können Angehörige rund um die Uhr in der Nähe der Patient*innen sein und zum Beispiel im gleichen Zimmer übernachten. 

Einzelne Betroffene litten der Studie zufolge unter quälenden Beschwerden wie Angst, Unruhe oder Schmerzen. Dabei handelte es sich überdurchschnittlich häufig um jüngere Patient*innen (65 Jahre oder jünger). “Offensichtlich blieb das Leiden dieser Menschen entweder unerkannt oder wurde nicht ausreichend medikamentös behandelt”, so die Forscher*innen. Auf der anderen Seite wurden 40 Prozent der Befragten mit Psychopharmaka, insbesondere Antipsychotika, behandelt. Diese Medikamente zielen unteranderem darauf ab, Symptome wie Halluzinationen, Wahn oder Verwirrtheit zu verringern. Der Studie zufolge wurden sie häufig eher großzügig verordnet, ohne dass im Verlauf geprüft wurde, ob sie überhaupt noch nötig sind. 

60 Prozent verstarben laut Angehörigen „friedlich“

Die „Qualität des Sterbens“ unterschied sich zwischen den einzelnen Patient*innen deutlich. 60 Prozent verstarben ihren Angehörigen zufolge „friedlich“. Bei den anderen 40 Prozent lagen jedoch deutlich belastende Symptome wie Kurzatmigkeit und Unbehagen vor. Im Hinblick auf die “Sterbequalität” machte es keinen Unterschied, ob die Patient*innen an früh oder spät beginnender Demenz erkrankt waren und sie zuhause oder im Krankenhaus starben.

Die meisten Menschen mit fortgeschrittener Demenz, die am Lebensende in einer Pflegeeinrichtung lebten, starben dort. Dagegen wurden 38 Prozent derjenigen, die zuhause lebten, vor ihrem Tod noch in ein Krankenhaus eingewiesen. “Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Angehörige zu wenig professionell unterstützt und begleitet wurden, um den Betroffenen ein friedvolles Sterben zu Hause zu ermöglichen”, folgern die Autor*innen der Studie. Die befragten pflegenden Angehörigen hätten häufig über zu wenig professionelle Hilfe und Überforderung geklagt. 

Empfehlungen für gute Pflege am Lebensende

Wie kann gute Pflege am Lebensende gelingen? Dazu geben die Forscher*innen eine Reihe von Empfehlungen. Wichtig sind danach eine zentrale Koordination einer fächerübergreifenden Versorgung, das Erkennen und Behandeln der Patient*innen mit belastenden Beschwerden, geschultes Pflegepersonal mit ausreichend Zeit, qualifizierte Unterstützung der Angehörigen, Haus- und Heimbesuche durch erfahrene Ärzt*innen sowie die rechtzeitige Formulierung von Therapiezielen und einem Krisenplan.

Hier geht es zu den Studien:

Quality of Life in Advanced Dementia with Late Onset, Young Onset, and Very Young Onset (März 21)

How Do Persons with Young and Late Onset Dementia Die? (Mai 21)

Weitere Informationen:

EPYLOGE-Forschungsprojekt 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert