Videoanrufe, Online-Sportkurse, digitale Spieleabende: Gerade während der Corona-Pandemie haben viele Menschen Internet-Anwendungen genutzt, um trotz Kontaktbeschränkungen miteinander im Austausch zu bleiben. Wie verhält es sich bei älteren Menschen? Helfen digitale Technologien ihnen dabei, am gemeinschaftlichen Leben teilzuhaben?

Um diese Frage ging es in einer Studie, die Pascale Heins von der Universität Maastricht und ihre Kolleg*innen im Journal of Clinical Medicine veröffentlicht haben. Der Hintergrund: Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen seit längerem die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von sozialer Isolation und Einsamkeit auf ältere Menschen. Soziale Isolation bezieht sich dabei auf den Mangel an sozialen Kontakten, Einsamkeit auf das persönliche Gefühl, keine Verbundenheit mit anderen zu haben. Im Zuge der Corona-Pandemie sei die Zahl derjenigen, die sich sozial isoliert oder einsam fühlten, weltweit rapide angestiegen, insbesondere bei älteren Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.

Älterer Mann benutzt ein Tablet.

Soziale Teilhabe kann Demenzrisiko verringern

Doch gerade für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist der Austausch mit anderen sehr wichtig: Soziale Beziehungen und die Teilnahme an gemeinschaftlichen Aktivitäten könnten eine schützende Wirkung im Hinblick auf den geistigen Abbau haben, so die Autor*innen.

Vorherige Studien haben bereits gezeigt, dass “psychosoziale Maßnahmen” wie Sport- und Bewegungsangebote oder Musikgruppen die soziale Isolation und das Gefühl der Einsamkeit verringern sowie das Demenzrisiko mindern können. Allerdings gibt es noch nicht allzu viele wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Nutzen technologischer Möglichkeiten in diesem Bereich.  

Technologische Maßnahmen zur Förderung der sozialen Teilhabe

Die Autor*innen haben daher die bislang verfügbaren Arbeiten zusammengeführt. Sie geben einen Überblick zu den Auswirkungen technologischer Maßnahmen, die auf die soziale Teilhabe von Menschen ab einem Alter von 55 Jahren abzielen. Insgesamt werteten sie 36 Studien aus, die zwischen 2005 und 2020 veröffentlicht wurden. Nur drei der Studien bezogen sich gezielt auf Menschen mit Demenz.

 IT-Schulungsprogramme: Jüngere helfen Älteren

Die in den Einzel-Studien untersuchten Maßnahmen waren sehr unterschiedlich: Bei zwölf Anwendungen lag der Fokus auf Kommunikation und soziale Netzwerken. Zehn Maßnahmen beinhalteten IT-Schulungsprogramme, die grundlegendes Wissen vermittelten, etwa zur Anwendung von Tablet, Computer, Smartphone, E-Mails, Videoanrufen usw. Viele enthielten das Konzept des “reverse mentoring”. Dabei helfen junge Erwachsene den Älteren bei der Anwendung der Technologien. Die ausgewerteten Maßnahmen umfassten zum Beispiel mobile Apps, Spiele, Musiktherapie, Sprachlern-Programme und Selbstüberwachung der körperlichen Aktivität.

Fast zwei Drittel der untersuchten Technologien beinhalteten den Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Dagegen war ein Drittel ausschließlich und vollständig virtuell gestaltet.

Einzelberichte beschreiben Vorteile technologischer Maßnahmen

Die Autor*innen beschreiben gemischte Ergebnisse der Studien: So zeigten die quantitativen Studien nur begrenzte Auswirkungen von technologischen Maßnahmen auf soziale Isolation und Einsamkeit. Dabei handelt es sich um Untersuchungen, die den Fokus auf die statistische Auswertung von Daten legten, etwa mit Hilfe von standardisierten Befragungen. In den ausgewerteten qualitativen Studien hingegen, die auch ausführliche Einzelberichte von Teilnehmenden mit einbezogen, wurden mehrere Vorteile in Bezug auf die soziale Teilhabe älterer Menschen berichtet.

Keine Rückschlüsse in Bezug auf Menschen mit Demenz möglich

So wurde beschrieben, dass soziale Beziehungen mit Hilfe der Maßnahmen aufrechterhalten wurden oder sich entwickelten, das Gefühl der Einsamkeit abnahm und sich die Kommunikation verbesserte. Darüber hinaus berichteten Teilnehmende, dass ihre Lebenszufriedenheit und ihr Vertrauen im Umgang mit Technologie gestiegen seien. Aufgrund der geringen Anzahl von Studien speziell über Menschen mit Demenz konnten die Autor*innen keine direkten Rückschlüsse auf diese Personengruppe ziehen.

Appell an politische Entscheidungsträger*innen

Dennoch ziehen sie allgemein das Fazit, dass sozialer Austausch, Kontakt von Angesicht zu Angesicht und generationenübergreifendes Engagement wirksame Bestandteile technologischer Maßnahmen seien, um die sozialen Teilhabe von älteren Menschen zu verbessern. Gerade in Bezug auf die Bewältigung der Corona-Pandemie könne Technologie eine entscheidende Rolle spielen. Politische Entscheidungsträger*innen sollten daher das Bedürfnis älterer Menschen nach sozialer Teilhabe vorrangig behandeln und entsprechende technologische Dienste bereitstellen.

Zudem empfehlen die Autor*innen weitere Studien, um die Auswirkungen technologischer Anwendungen speziell auf die soziale Teilhabe älterer Menschen mit Demenz untersuchen.

Hier finden Sie die Studie
The Effects of Technological Interventions on Social Participation of  Community-Dwelling Older Adults with and without Dementia: A Systematic  Review (Mai 21)

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