Eine rechtzeitige Demenz-Diagnose ist aus mehreren Gründen wichtig: Betroffene können noch selbstbestimmt über anstehende Fragen entscheiden. Sie können – ebenso wie ihre pflegenden Angehörigen – frühzeitig Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen und die nächsten Schritte planen. Doch die Erkrankung wird häufig erst spät erkannt, wie eine Untersuchung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zeigt.
Wenn Angehörige erste mögliche Anzeichen einer Demenz bei einem Familienmitglied wahrnehmen, wie lange dauert es dann bis zur Diagnose? Diese Frage haben Franziska Wolff M.Sc. und Kolleg*innen untersucht. Sie erfassten die Zeitspanne von den ersten Symptomen aus der Perspektive der Angehörigen bis zur Diagnose der Erkrankung und identifizierten mögliche soziodemographische Einflussfaktoren auf diese Zeitspanne.
Zeitspanne von den ersten Symptomen bis zur Diagnose betrug durchschnittlich 16 Monate
Ihre Untersuchung basiert auf den Daten des Bayerischen Demenz-Survey (BayDem), der von 2015 -2017 in drei Regionen in Bayern durchgeführt wurde: Dachau, Erlangen und Kronach stellen verschiedene demografische und sozioökoomische Gebiete dar. Durch Einbeziehung der Städte und Landkreise wurden sowohl urbane als auch ländliche Räume abgebildet. Für den aktuellen Bericht werteten Wolff und Kolleg*innen retrospektiv die Angaben von 276 Teilnehmerpaaren – Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen aus.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Diagnosestellung häufig mit deutlicher Verzögerung erfolgt. So wurde bei weniger als der Hälfte der Betroffenen (ca. 45%) innerhalb eines Jahres nach Auftreten der ersten Symptome eine Demenz diagnostiziert. Die Zeitspanne von den ersten Symptomen bis zur Diagnose betrug durchschnittlich 16 Monate.
Schulbildung und Geschlecht sind Einflussfaktoren
Zudem fanden die Forscher*innen heraus, dass die Schulbildung und das Geschlecht der Betroffenen Einflussfaktoren für eine späte Diagnose sein können. So zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose innerhalb von neun Monaten signifikant sinkt, je mehr Schuljahre die Menschen mit Demenz absolviert hatten. Zudem steigt die Chance einer Diagnose innerhalb von neun Monaten mit zunehmendem Alter der Betroffenen. Des Weiteren ist die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose innerhalb von neun Monaten für Männer im Vergleich zu Frauen erhöht.
Als Schlussfolgerung empfehlen die Autor*innen, dass im primärärztlichen Bereich strukturierte Zugangswege zu einer „zeitgerechten Diagnostik“ weiterentwickelt werden. Sogenannte „zugehende“ Beratungs- und Diagnostikangebote sollten deshalb verstärkt ausgebaut werden.
Hier finden Sie die vollständige Studie:
https://eref.thieme.de/ejournals/1439-4421_2020_01#/10.1055-a-1031-9559