Webbasierte kognitive Trainings und kognitive Stimulationen sollen dazu beitragen, die Gedächtnisleistung von Patientinnen und Patienten mit leichter bis schwerer Demenz zu verbessern. Doch wie hilfreich sind computergestützte Trainingsprogramme, die die Betroffenen eigenständig und ohne begleitende pflegende An- und Zugehörige anwenden? Inwiefern ist der Nutzen wissenschaftlich nachgewiesen?

Dies untersuchte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) in einem sogenannten Evidenzbericht. Diese Forschungsergebnisse sind in die aktualisierte S3-Leitlinie „Demenzen“ eingeflossen, die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. im November 2023 veröffentlicht haben.

Grundsätzlich stelle das kognitive Training eine Ergänzung der Demenzbehandlung dar, räumen die Forschenden ein. Doch aufgrund der IQWiG-Studienergebnisse erteilen die Herausgeber der S3-Leitlinie „Demenzen“ dem Einsatz von Online-Programmen eine klare Absage: „Wir schlagen keine Anwendung von selbst durchgeführten, computerbasierten kognitiven Trainingsprogrammen für Menschen mit Demenz vor.“

„Der IQWiG-Evidenzbericht ist ein Musterbeispiel dafür, wie aus wissenschaftlichen Erkenntnissen konkrete Handlungsempfehlungen für die Behandlung von Menschen mit Demenz werden.“

Anne Keefer, digiDEM Bayern-Wissenschaftlerin

Im Vergleich zu Standardtherapien bei der Demenzbehandlung zeigten die Trainingsprogramme keinen sicheren medizinischen Nutzen für die Betroffenen.

Die Evidenz für eine Verbesserung der kognitiven Leistungen sei außerdem „sehr niedrig“ und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz selbst „sehr gering“. Beurteilt wurden Auswirkungen auf die Kognition, die Gedächtnisleistung, die Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen. Eine der untersuchten Stimulationen umfasste etwa ein werktägliches, einstündiges Training über einen Zeitraum von sechs Wochen hinweg. In einer anderen Studie trainierten die Studienteilnehmenden 15 Wochen lang im Zwei-Wochen-Takt jeweils eine Stunde.

Analysiert hat das IQWiG insgesamt sechs sogenannte randomisierte kontrollierte Studien (RCTs). Diese gelten als wissenschaftlicher Goldstandard, um die Wirksamkeit medizinischer Behandlungen zuverlässig nachzuweisen. In den Studien wurden Patientinnen und Patienten mit einer leichten Alzheimer-Demenz mit einem webbasierten kognitiven Training behandelt. Das Alter der Teilnehmenden lag zwischen 67,5 und 78,2 Jahren.

Tipp für die Praxis: Andere wissenschaftliche Übersichtsarbeiten haben nachgewiesen, dass kognitive Stimulation und kognitives Training sich durchaus positiv auf die Gedächtnisleistung vom Menschen mit Demenz auswirken können. Doch selbstdurchgeführte, computerbasierte kognitive Trainingsangebote zeigen diesen Effekt nicht, weshalb andere Trainingsmodalitäten wie zum Beispiel Gedächtnistrainingsgruppen bevorzugt angewendet werden sollten.

Hier gelangen Sie zum Evidenzbericht des IQWiG.

Die S3-Leitlinie „Demenzen“ finden Sie hier.

Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit von kognitivem Training und kognitiver Stimulation stellen diese beiden Studien zur Verfügung, die wir in unserem Sonder-Newsletter von September 2023 vorgestellt haben.

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