In der dritten Ausgabe unseres neuen Sonder-Newsletters SCHLAGLICHT – Neue Medikamente gegen Demenz befasst sich Dr. Nikolas Dietzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei digiDEM Bayern, mit der Veröffentlichung von Wissenschaftlern aus Europa, den USA und Australien um Professor Poul F. Høilund-Carlsen vom Odense University Hospital in Dänemark. 

In dem Artikel mit dem Titel  Donanemab, another anti-Alzheimer’s drug with risk and uncertain benefit  findet eine Bewertung von Wirksamkeit und Nebenwirkungen der neuen Medikamente mit Schwerpunkt auf dem jüngst in den USA zugelassenen Arzneimittel Donanemab statt (DOI: 10.1016/j.arr.2024.102348).

Lesen Sie jetzt den Beitrag von Dr. Nikolas Dietzel:

In der Europäischen Union wird derzeit die Zulassung von Donanemab (Handelsname: Kisunla®), eines monoklonalen Antikörpers des US-Herstellers Eli Lilly, geprüft. Durch die Reduzierung der Alzheimer-typischen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn soll das Medikament das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Zur Vorgeschichte: im Juli 2024 wurde mit Lecanemab (Handelsname: Leqembi®) bereits ein ähnliches Medikament von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) nicht zugelassen. 

Hilfreiche Medikamente oder Mogelpackungen?

Ein internationales Forschungsteam hat die Zulassungsstudien der drei Medikamente Aducanumab, Lecanemab und Donanemab nun genauer unter die Lupe genommen – und dabei insbesondere auf die möglichen Nebenwirkungen geblickt.

Alle drei Antikörper haben in ihren Studien die Reduzierung von Amyloid-Ablagerungen im Gehirn beschrieben. Dies geht zurück auf die Annahme, dass ein diesen Ablagerungen zugrundeliegendes Protein für das Absterben der Nervenzellen verantwortlich ist – eine mehr und mehr umstrittene Hypothese. Kritisch sei hier allerdings bereits der Nachweis dieser Ablagerungen. So könnte auf Basis der eingesetzten bildgebenden Verfahren gar nicht genau gesagt werden, dass sich die Ablagerungen wirklich vermindert haben, weil deren Ergebnisse auch durch andere Mechanismen im Gehirn beeinflusst werden.

Gefährliche Nebenwirkungen

Während bei Aducanumab keine Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte, berichten die Studien zu Lecanemab und Donanemab von einer Verlangsamung der Erkrankung um 27% bzw. 36%. Betrachte man allerdings die Unterschiede zwischen der Behandlungs- und der Placebogruppe auf der verwendeten Skala, so sind diese mit 2,5% sehr gering und werden als klinisch nicht bedeutsam eingestuft – auch wenn die Prozentzahlen etwas anderes suggerieren. Zudem seien sie damit von ihrer klinischen Wirksamkeit schlechter als die seit Jahrzehnten verfügbaren Medikamente, wie z.B. die Acetylcholinesterase-Hemmer. Die internationale Forschungsgruppe hat dazu zusätzliche, eigene Berechnungen durchgeführt und die geringe Wirksamkeit von Donanemab bestätigt.

Problematisch seien zudem die potenziellen Nebenwirkungen. In den Studien waren die Personen, die die neuen Medikamente bekamen, häufiger von Flüssigkeitseinlagerungen (ARIA-E) und Blutungen (ARIA-H) im Gehirn betroffen. Dies würde in den Zulassungsstudien allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, da sich insbesondere die Flüssigkeitseinlagerungen angeblich im Verlauf von selbst auflösen würden. Da diese Teilnehmenden zudem aus den Studien ausscheiden, könnten die Ergebnisse verzerrt sein. Weiterhin sei bei dieser Art der Behandlung eine Verringerung der Gehirnmasse charakteristisch. Während sich derartige Informationen bei Aducanumab und Lecanemab gar nicht finden lassen würden, sei der Verlust an Hirnvolumen bei den mit Donanemab behandelten Personen um ein Drittel größer gewesen als in der Placebogruppe.

Keine Empfehlung für Medikamente

Aufgrund der vielen Nachteile gibt die internationale Forschungsgruppe keine Empfehlung für den Einsatz der neuen Alzheimer-Medikamente ab. Bevor weitere Medikamente zugelassen werden, sollten die Zulassungsbehörden stattdessen darauf hinwirken, dass die Personen aus den bereits durchgeführten und noch geplanten Studien (erneut) und langfristiger untersucht werden – und das mit anderen bildgebenden Verfahren. Zudem sollten die Pharmahersteller verpflichtet werden, die in den Studien erhoben Daten für eine unabhängige Bewertung frei zugänglich zu machen.

Høilund-Carlsen PF, Alavi A, Barrio JR, Castellani RJ, Costa T, Herrup K, Kepp KP, Neve RL, Perry G, Revheim ME, Robakis NK, Sensi SL, Vissel B. Donanemab, another anti-Alzheimer’s drug with risk and uncertain benefit. Ageing Res Rev. 2024 Aug;99:102348. doi: 10.1016/j.arr.2024.102348. Epub 2024 Jun 1. PMID: 38830549. 

Hier geht es zum Artikel von Prof. Poul F. Høilund-Carlsen.

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