Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen fällt es häufig schwer, sich räumlich zu orientieren und problemlos von A nach B zu gelangen. Dabei sind diese oft mit einer Demenz verbundenen kognitiven Veränderungen entscheidend, um die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Wie sich mit Hilfe von speziellen Smartphone-Daten erste Anzeichen für ein erhöhtes Demenzrisiko erkennen lassen, haben Forschende aus Magdeburg und Tübingen gezeigt. Sie entwickelten eine neue Smartphone-App, mit der die Studienteilnehmenden auf dem medizinischen Campus der Universität Magdeburg verschiedene Orte finden mussten. 

An der Studie nahmen insgesamt 72 Personen teil: 24 jüngere Erwachsene, 25 kognitiv unauffällig ältere Erwachsene und 23 ältere Personen mit sogenannter „subjektiver kognitiver Beeinträchtigung“ (SCD). Dies bedeutet, dass diese Teilnehmenden selbst über Gedächtnisprobleme berichteten, aber in wissenschaftlich basierten Gedächtnistests noch keine Auffälligkeiten zeigten. 

Die App zeigte den Teilnehmenden eine Karte mit ihrem Standort und dem jeweiligen Ziel an, das sie zu Fuß erreichen mussten. Die fünf markanten Gebäude auf dem Campusgelände des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Magdeburg, die erreicht werden sollten, waren den Teilnehmenden zuvor nicht bekannt und gehörten normalerweise nicht zu ihren alltäglichen Strecken. Während des Gehens auf der rund 800 Meter langen Route wurden verschiedene Daten gesammelt: die zurückgelegte Strecke, die benötigte Zeit, die Gehgeschwindigkeit, wie oft sie auf die Karte schauten und dabei eine digitale Hilfefunktion auf dem Smartphone aufriefen und sogenannte Orientierungsstopps, also wie oft sie kurz stehen blieben, um sich zu orientieren.

Kognitive Beeinträchtigungen können durch die Auswertung von Smartphone-Daten frühzeitig identifiziert werden.

Anne Keefer, digiDEM Bayern-Wissenschaftlerin

Die jüngeren Erwachsenen schnitten bei allen Aufgaben am besten ab: Sie gingen kürzere Wege, brauchten weniger Zeit, schauten seltener auf die Karte und blieben kaum stehen. Zwischen den beiden Gruppen mit älteren Erwachsenen gab es jedoch einen wichtigen Unterschied: Die Menschen mit SCD blieben deutlich häufiger stehen, um sich zu orientieren, als die gesunden älteren Erwachsenen.

Besonders die Anzahl der Orientierungsstopps war ein wichtiger Hinweis darauf, ob eine Person zur SCD-Gruppe gehörte. Mit Hilfe der gesammelten Smartphone-Daten konnten die Forschenden in etwa zwei Dritteln der Fälle richtig vorhersagen, ob ein älterer Mensch zur SCD-Gruppe gehörte oder nicht. Die Analyse zeigte, dass die SCD-Gruppe besonders an Kreuzungen und an Orten mit vielen Abzweigungen häufiger stehen blieb.

Im Ergebnis zeigte die Studie: Mit sogenannten digitalen Markern, die während des sogenannten Wegfindungstests in weniger als einer halben Stunde in einer realen Umgebung aus Smartphone-Daten gewonnen wurden, können ältere Menschen identifiziert werden, die ein erhöhtes Demenzrisiko haben. 

„Für die Entwicklung krankheitsmodifizierender Interventionen und Behandlungen ist die Erkennung kognitiver Veränderungen in den frühesten Krankheitsstadien entscheidend“, schreiben die Forschenden. Die App könne als Screening-Tool eingesetzt werden und in Zukunft dazu beitragen, betroffene Menschen frühzeitig zu identifizieren und ihnen gezielte Unterstützung anzubieten. Die Studie stelle einen „vielversprechenden Ansatz zur Erkennung kognitiver Beeinträchtigungen unter Verwendung digitaler Daten dar.“

Tipp für die Praxis:

Die Auswertung von Smartphone-Daten zur Orientierung könnte zukünftig zur Demenz-Früherkennung beitragen, indem ein verändertes Orientierungsverhalten erkannt wird. Das würde es ermöglichen, Betroffene und Ärztinnen und Ärzte frühzeitig auf ein erhöhtes Demenzrisiko aufmerksam zu machen und schneller zu handeln.

Hier gelangen Sie zur Studie.

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