Ein Arzt-Gespräch per Videosprechstunde – für viele Menschen ist diese Vorstellung noch immer ungewohnt. Dabei wird der Bereich der Telemedizin immer weiter ausgebaut und auch durch das neue Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) gestärkt. US-Forscher haben die Rolle der Telemedizin bei neurologischen Erkrankungen untersucht – darunter auch Demenz.
Hintergrund und Nutzen der Telemedizin liegen auf der Hand: Die Forschergruppe rund um Jaime M. Hatcher-Martin geht davon aus, dass durch den demografischen Wandel immer mehr ältere Menschen neurologische Behandlungen benötigen werden. Die Telemedizin könnte hier Versorgungslücken schließen, indem sie zum Beispiel Untersuchungen von Patient*innen ermöglicht, die sonst wegen weiter Entfernungen oder körperlicher oder kognitiver Einschränkungen keinen Facharzt aufsuchen könnten. Zudem kann die Telemedizin den Autor*innen zufolge eine frühzeitigere spezialisierte Versorgung anbieten, die Belastung von Patienten und Pflegepersonal verringern und die Zufriedenheit der Patient*innen verbessern.
Positive Erfahrungen mit Telemedizin bei der Schlaganfallversorgung
„Vorreiter“ bei der neurologischen Telemedizin ist die Schlaganfall-Behandlung („telestroke“). Seit den ersten Ansätzen vor rund 20 Jahren wurde der Zugang stetig erweitert und die Qualität verbessert. Trotz dieser Fortschritte in der Schlaganfallversorgung gäbe es jedoch nur wenige Daten über die Rolle der Telemedizin bei anderen neurologischen Erkrankungen. In wie weit kann Telemedizin den Zugang zur Versorgung verbessern? Wie genau ist die Diagnostik? Wie hoch ist die Akzeptanz bei Patient*innen und Ärzt*innen? Um einen Überblick zu diesen Punkten zu liefern, werteten die Forscher*innen 753 Untersuchungen zur Telemedizin au. Sie bezogen sich auf unterschiedliche neurologische Erkrankungen, etwa Epilepsie, Kopfschmerzen, Multiple Sklerose oder Demenz
In Bezug Demenz-Telemedizin fällt die Bewertung der Autor*innen positiv aus. Die Studien deuten darauf hin, dass diese Art der Behandlung den Zugang zur Versorgung verbessert, eine hohe diagnostische Genauigkeit aufweist, für Zufriedenheit bei Patienten und Versorgern sorgt und Kosten spart. Eine Analyse ergab beispielsweise, dass fast zwei Drittel der darin beschriebenen (Telemedizin-) Sitzungen wohl nicht stattgefunden hätte, wenn der Arzt dafür weite Strecken hätte zurücklegen müssen. Mehrere Studien untersuchten die diagnostische Genauigkeit und die Zuverlässigkeit der Anwendung üblicher Screening-Tests – mit vergleichbaren Ergebnissen zwischen der Teleneurologie und der persönlichen Untersuchung. Nur eine Studie erfragte konkret, wie zufrieden Betroffene mit der Teleneurologie im Vergleich zu persönlichen Untersuchungen sind. Alle Teilnehmer*innen hatten beide „Varianten“ erlebt und waren den Ergebnissen zufolge gleichermaßen zufrieden.
Längere Behandlungsdauer bei den Telemedizin-Patienten
Auch bei den Ergebnissen des Mini-Mental-Status-Tests im Verlauf eines Jahres zeigten sich keine Unterschiede zwischen beiden Therapieformen. Dies sehen die Autor*innen als Hinweis darauf, dass die Teleneurologie in Bezug auf das Behandlungsergebnis mindestens so wirksam ist wie persönliche Besuche. Zudem zeigte sich, dass Teleneurologie-Patient*innen eine deutlich längere Behandlungsdauer hatten. Dies deute darauf hin, dass sie Behandlungen im Vergleich häufiger in Anspruch genommen hätten.
Einschränkend weisen die Forscher*innen darauf hin, dass es sich nur bei 7 der 20 ausgewerteten Teleneurologie/Demenz-Untersuchungen um randomisierte klinische Studien gehandelt hat. Sie empfehlen weitere und genauere Studien, um festzustellen, wie die Teleneurologie im Vergleich zur persönlichen Demenz-Versorgung aussieht.
Die vollständige Studie finden Sie hier:
Telemedicine in neurology (Januar 2020)