Der Lebensstil eines Menschen beeinflusst sein Risiko, später an einer Demenz zu erkranken – darin ist sich die Forschung einig. Zu den relevanten Faktoren zählen etwa Ernährung, Bewegung und soziale Kontakte. Da soziale Kontakte jedoch schwer messbar sind, haben britische Forscher*innen speziell das Demenzrisiko alleinlebender Personen untersucht.
Wenig soziale Kontakte seien in früheren Studien mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung gebracht worden, so die Autor*innen um Roopal Desai vom University College London. Dieser Faktor erhöhe das Erkrankungsrisiko ähnlich stark wie Bluthochdruck und Bewegungsmangel. Doch was genau beinhaltet “sozialer Kontakt” – was ist viel, was ist wenig? Da eine Festlegung schwierig ist, wollten die Forscher*innen die Kategorie “allein lebend” zu Hilfe nehmen und darüber den Risikofaktor “soziale Isolation” untersuchen. Denn im Hinblick auf alleinlebende Menschen liegen in vielen Ländern gesicherte, offizielle Daten auf Bevölkerungsebene vor.
Zwölf Studien ausgewertet
Vor diesem Hintergrund führten und rechneten sie die Ergebnisse aus zwölf verfügbaren Studien zum Thema in einer Übersichtsarbeit zusammen. Der Studienbeginn variierte zwischen 1987 und 2005. Die Anzahl der Teilnehmenden reichte von 343 bis 5.698. Sie waren 55 Jahre oder älter und in der Mehrzahl weiblich. Acht Studien wurden in Europa durchgeführt (Frankreich, Deutschland, Niederlande, Schweden), vier in Asien (China, Japan, Singapur).
Soziale Isolation als bedeutsamer Risikofaktor
Die Zusammenfassung aller Ergebnisse zeigte, dass das Demenzrisiko für alleinlebende Menschen um 30 Prozent höher war als für diejenigen, die mit anderen zusammenwohnten. Knapp 9 Prozent der neu auftretenden Demenzerkrankungen bei Personen ab 65 Jahren führen die Autor*innen auf das Alleinleben zurück. Dies deute darauf hin, dass die soziale Isolation im Hinblick auf das Demenzrisiko eine größere Bedeutung habe als bisher angenommen. Alleinleben sei mit einem höheren Demenzrisiko für die Bevölkerung verbunden als Bewegungsmangel, Bluthochdruck, Diabetes und Fettleibigkeit.
Immer mehr Menschen leben allein
Besondere Bedeutung hätten diese Ergebnisse für Gesellschaften, in denen die Zahl der Einpersonenhaushalte zunehme, besonders bei älteren Menschen. In Großbritannien seien im Jahr 2011 knapp ein Drittel der Haushalte Einpersonenhaushalte gewesen – 600.000 mehr als noch im Jahr 2001.
In Deutschland stieg die Zahl der Einpersonenhaushalte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 1991 und 2019 von 11,9 auf 17,6 Millionen. Das entspricht einer Zunahme von 33,6 auf 42,3 Prozent.
Sozialpsychologische Maßnahmen können helfen
Auf Basis ihrer Ergebnisse lassen sich nach Ansicht der Forscher*innen praktische Maßnahmen ergreifen. So könnten Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen alleinlebenden Menschen Maßnahmen vorschlagen, um die schädlichen Auswirkungen sozialer Isolation abzuschwächen. Die Autor*innen gehen hier auf das sogenannte “social prescribing” ein. Darunter fallen sozialpsychologische und sozialmedizinische Maßnahmen wie Freiwilligenarbeit, künstlerische Aktivitäten, Gartenarbeit oder auch Sportgruppen.
Persönliches Gefühl der Einsamkeit ist ausschlaggebend
Wichtig ist den Forscher*innen der Hinweis, dass vermutlich nicht das Alleinleben an sich das Demenzrisiko erhöht, sondern das persönliche Gefühl der Einsamkeit. Sie empfehlen weitere Studien, um etwa herauszufinden, ob der Zusammenhang zwischen dem Alleinleben und dem Auftreten von Demenz durch Gefühle der Einsamkeit, die Anzahl der Jahre, die man allein lebt, oder einen kürzlichen Trauerfall erklärt werden kann.
Hier finden Sie die Studie:
Living alone and risk of dementia: A systematic review and meta-analysis (Juli 2020)