Einen Zusammenhang zwischen Demenz und Suizidrisiko hat bereits jüngere Forschung aufgezeigt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Großbritannien haben nun in einer aktuellen Publikation untersucht, inwieweit sich das Suizidrisiko zwischen verschiedenen Demenzarten unterscheidet. Die Unterschiede zu verstehen ist aus mehreren Gründen von großer Bedeutung.
Suizidgedanken, Suizidversuche und Suizidtodesfälle werden meist unter dem Überbegriff Suizidalität zusammengefasst. Suizidalität bezeichnet im Allgemeinen einen psychischen Zustand, der den eigenen Tod zum Ziel hat. In ihrer Übersichtsarbeit haben sich Forschende aus Großbritannien auf die häufiger diagnostizierten Formen von Demenz konzentriert und untersucht, inwieweit diese einen Zusammenhang mit Suizidalität zeigen: die Alzheimer-Demenz (AD), die am weitesten verbreitet ist, Vaskuläre Demenz (VaD), Frontotemporale Demenz (FTD), Lewy-Körperchen-Demenz (DLB) und Gemischte Demenz (MD).

Mehr als 2,38 Millionen Studienteilnehmende
Das wichtigste Ergebnis der Studie: Das Suizidrisiko ist nicht bei allen Demenzformen gleich. Seltenere Demenzarten weisen im Vergleich zur Alzheimer-Krankheit (AD) spezifische und oft höhere Risiken für bestimmte suizidale Verhaltensweisen auf. Konkret gelangten die Forschenden in ihrer großen Übersichtsarbeit mit mehr als 2,38 Millionen Teilnehmenden zu folgenden Erkenntnissen: Im Vergleich zu Menschen mit Alzheimer-Demenz
* hatten Menschen mit Vaskulärer Demenz eine höhere Wahrscheinlichkeit, Suizidgedanken zu äußern und Suizidversuche zu unternehmen, aber nicht an Suizid zu sterben.
* lag bei Menschen mit Lewy-Körperchen-Demenz eine höhere Wahrscheinlichkeit vor, Suizidgedanken zu äußern, aber nicht Suizidversuche zu unternehmen. Daher raten die Forschenden, die psychische Gesundheitsunterstützung frühzeitig zu priorisieren.
* hatten Menschen mit Frontotemporaler Demenz und Menschen mit Gemischter Demenz eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, Suizidversuche zu unternehmen, aber nicht Suizidgedanken zu äußern. Dieses Verhalten könnte auf erhöhte Impulsivität und geringere Krankheitseinsicht hinweisen. Hier sollte man sich, so die Studie, stärker auf Beobachtung des Verhaltens statt nur auf Selbstauskünfte konzentrieren.
Schatz an Erkenntnissen für Akteure im Gesundheitssystem
Für Akteure im Gesundheitssystem birgt die Studie einen wahren Schatz an Erkenntnissen: Wer sich der unterschiedlichen Suizidrisikoprofilen von Menschen mit Demenz bewusst ist, könne die psychologischen Auswirkungen von Demenz-Diagnosen zu berücksichtigen und gegenüber den Betroffenen sensibler reagieren, heißt es in der Studie aus Großbritannien. In der Folge könnten angemessene Präventionsmaßnahmen und Interventionen angeboten und an individuelle Bedürfnisse angepasst werden. „Es könnte auch nützlich sein, verschiedene Demenz-Subtypen miteinander (und nicht nur mit Alzheimer-Demenz) und mit anderen Arten neurodegenerativer Erkrankungen wie der Parkinson-Krankheit zu vergleichen.
Weitere Forschung über „einzigartige Erfahrungen“ von Menschen mit Demenz
Über die „einzigartigen Erfahrungen“ von Menschen mit Demenz auch weiterhin zu forschen, sei notwendig – um die Gründe und Ursachen für erhöhte Risiken für Suizidgedanken und Suizidversuche bei selteneren Subtypen zu verstehen. Dies umfasse auch die Erforschung von Einflussfaktoren wie zum Beispiel Alter und psychische Gesundheit, die mit den erhöhten Suizidalitätsrisiken bei selteneren Subtypen verbunden sind. „Dies kann dann in die allgemeine Suizidpräventionsarbeit und -politik einfließen.“
Tipp für die Praxis: Achten Sie als Angehörige darauf: Wer Suizidgedanken hat, sollte immer professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Warnsignale sollten ernst genommen werden, hilfreich können konkrete Angebote wie beispielsweise die Vermittlung einer Telefonseelsorge oder die Kontaktierung des ärztlichen Notdienstes sein.
Hier geht’s zur Studie:
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