Ist die Diagnose Demenz erst einmal gestellt, brechen viele Betroffene ihre zahnärztliche Versorgung ab. Das haben Forschende in zwei Studien aus Schweden und Kanada herausgefunden. Wissenschaftler*innen aus der Schweiz und aus Deutschland empfehlen spezielle Schulungskonzepte für eine verbesserte Mundhygiene.
Schreitet die Demenz voran, fällt es den Betroffenen immer schwerer, ihre Mundhygiene aufrechtzuerhalten. Aus Sicht der Autor*innen einer schwedischen Studie ist es deshalb wichtig, die Einflussfaktoren zu kennen, weshalb Menschen mit Demenz nach gestellter Diagnose die zahnärztliche Versorgung nicht mehr in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund werteten sie die Daten von 10 444 Personen aus und griffen dafür auf die Daten mehrerer Register zurück, unter anderem aus dem schwedischen Demenzregister (SveDem). Analysiert haben die Wissenschaftler*innen Zahnarztbesuche drei Jahre vor und nach der Demenzdiagnose.
Alleinlebende Menschen mit Demenz besonders gefährdet
War die Demenzdiagnose gestellt, verzichteten 19 Prozent der Menschen mit Demenz auf den Zahnarztbesuch. Besonders gefährdet sind dabei Menschen mit Demenz, die alleine leben und wenige restliche Zähne aufweisen. Zudem verzichten diejenigen tendenziell auf einen Zahnarztbesuch, wenn die Betroffenen an mehreren Krankheiten gleichzeitig litten (Komorbiditäten), sie im fortgeschrittenen Alter waren und in häuslicher Umgebung gepflegt wurden. „Patienten, zahnärztliches und medizinisches Personal sowie Familienangehörige sollten sich dieser Einflussfaktoren bewusst sein, damit eine angemessene Unterstützung und Mundhygiene für Menschen mit Demenz gewährleistet werden kann“, empfehlen die Forscher*innen.
Signifikant nachlassende Mundhygiene
Dass kognitive Beeinträchtigung und Demenz sich sowohl auf die Mundgesundheit als auch auf die Inanspruchnahme von zahnärztlichen Leistungen auswirken, zeigten Wissenschaftler*innen aus der Schweiz und aus Deutschland. Dazu wurden die Studienteilnehmer auf der Grundlage der Ergebnisse des Mini Mental Status Tests (MMST) in fünf Gruppen eingeteilt und diverse Informationen über die Inanspruchnahme von Leistungen sowie weitere Parameter für Mundgesundheit wie zum Beispiel Zahnfleischblutungen erfasst.
Die Forscher*innen gelangten zu dem Ergebnis: Je weiter die Demenzerkrankung voranschreitet, desto weniger nahmen die Betroffenen zahnärztliche Leistungen in Anspruch. Der Rückgang der zahnärztlichen Behandlungen und der Sanierungsgrad der Zähne der Teilnehmenden war dabei signifikant, genauso wie die gleichzeitige Zunahme der Anzahl kariöser Zähne und Zahnfleischblutungen.
Die Anzahl der Zahnfüllungen und der fehlenden Zähne unterschied sich nicht. Ebenfalls war bei allen Probanden eine Parodontaltherapie erforderlich.
Gefragt sind Schulungs- und Hygienekonzepte
Daher schlagen die Autoren vor, „die tägliche Mundhygiene von Menschen mit Demenz deutlich zu verbessern“, damit weniger Plaque entsteht. Plaque führt zu Parodontitis oder Karies, beide Erkrankungen gelte es zu reduzieren. Allerdings setze diese Vorgehensweise Schulungen von Pflegenden und Angehörigen voraus, die mit der die mit der täglichen Mund- und Gebisshygiene befasst sind. Die Entwicklung von Schulungs- und Hygienekonzepten könne möglicherweise von den Krankenkassen im Rahmen eines Präventionsprogramms finanziell unterstützt werden. Berücksichtigt werden sollten dabei auch ernährungsphysiologische Aspekte wie zum Beispiel weniger Lebensmittel zu verwenden, die Karies verursachen.
Auf die Mundpflege aufmerksam machen
Auch die Autor*innen einer Studie aus Schweden und Kanada plädieren dafür, dass die formellen und informellen Bezugspersonen auf die Unterstützung bei der Mundpflege und regelmäßige Zahnarztbesuche aufmerksam werden. Die Ergebnisse zeigten – wie auch bei den anderen Studien – einen stetigen Rückgang der Zahl der Zahnarztbesuche nach der Demenzdiagnose. Dieser Rückgang ist bei Personen mit rasch fortschreitender kognitiver Beeinträchtigung und bei Personen mit zusätzlicher körperlicher Belastung stärker ausgeprägt.
Bei Menschen mit gemischter Demenz, Demenz mit Parkinsonismus und bei Personen mit sonstigen schweren kognitiven Beeinträchtigungen war der Rückgang der Inanspruchnahme von zahnärztlicher Versorgung signifikant höher. „Vaskuläre Demenz und ein niedrigerer Ausgangswert bei dem Mini-Mental Status Test waren signifikante Prädiktoren für einen schnelleren Verlust von Zähnen“, schreiben die Forschenden.
Sie sprechen dabei von einem vermuteten Teufelskreis „zwischen schlechter Mundhygiene und einer Verschlechterung der kognitiven Funktionen.“ Dieser kann sich möglicherweise durch eine geringere Inanspruchnahme der zahnärztlichen Versorgung noch verstärken.
Hier geht’s zu den Studien:
Discontinued dental care attendance among people with dementia: A register‐based longitudinal study (wiley.com)
Influence of cognitive impairment and dementia on oral health and the utilization of dental services