Kognitive Fähigkeiten, die über die gesamte Lebensspanne durch Bildung und andere geistige Aktivitäten erworben werden, können das Auftreten von leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) und Demenz verzögern. Das besagt die Hypothese der ‚Kognitiven Reserve‘. Forschende aus Norwegen und Amerika haben in diesem Zusammenhang den Aspekt der kognitiven Anforderungen im Beruf genauer analysiert. Können sich hohe kognitive Anforderungen im Berufsleben positiv auf das Demenzrisiko im späteren Alter auswirken?
Um diese Frage zu beantworten, analysierten die Forschenden Daten der „HUNT 70+“-Studie. Diese ist eine fortlaufende, bevölkerungsbasierte Gesundheitsstudie im nördlichen Teil von Trøndelag (Norwegen). Informationen zu beruflichen Tätigkeiten im mittleren Lebensalter wurden aus den Verwaltungsregistern des norwegischen Statistikamtes über die persönliche Identifikationsnummer abgefragt. Mit Hilfe des sogenannten „routine task intensity index“ wurden die erfassten Berufe in verschiedene kognitiven Anforderungen eingeteilt. Unterschieden wurde hier zum Beispiel zwischen der Durchführung von routinemäßigen Aufgaben und analytischen, nicht-routinemäßigen Aufgaben. Im Gegensatz zu bisherigen Studien berücksichtigen die Forschenden bei der Auswertung auch soziodemografische, gesundheitsbezogene und lebensstilbezogene Faktoren. Dazu gehören beispielsweise Alter, Bildung, Renteneintrittsalter, Bluthochdruck, Body Mass Index (BMI), Rauchen oder körperliche Aktivität.
Augen auf bei der Berufswahl
In der Studie wurden 305 verschiedene Berufe der 7.004 Teilnehmenden betrachtet und anhand des Anteils routinemäßiger Tätigkeiten in vier verschiedene Kategorien eingeteilt: geringer Anteil (20,4%), mittlerer bis geringer Anteil (22,5%), mittlerer bis hoher Anteil (37,1%) und hoher Anteil (19,9%). Dabei steht ein geringer Anteil an routinemäßigen Aufgaben mit hohen kognitiven Anforderungen im Beruf in Verbindung. Personen aus den Berufsgruppen mit einem hohen Anteil an routinemäßigen Aufgaben, wie zum Beispiel Hilfskräfte oder Postboten, hatten ein höheres Risiko für MCI und Demenz als Personen mit einem geringeren Anteil an routinemäßigen Aufgaben, wie zum Beispiel Lehrerinnen oder Pflegefachkräfte.
Die Studienergebnisse zeigen zudem, dass in der Altersspanne zwischen 33 bis 65 Jahren die kognitiven Anforderungen im Beruf in allen vier Gruppen recht konstant bleiben. Ab 55 Jahren ist bei zwei Gruppen ein leichter Rückgang der kognitiven Anforderungen im Beruf erkennbar.
‚Kognitive Reserve‘ wird gestärkt
Die Autoren betonen: „Berufliche kognitive Anforderungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Verringerung des Risikos kognitiver Beeinträchtigungen.“ Durch erworbene kognitive Fähigkeiten im mittleren Lebensalter wird die ‚Kognitive Reserve‘ gestärkt, wovon man im höheren Alter profitieren kann.
Tipp für die Praxis: Personen, die Berufe mit einem hohen Anteil an routinemäßigen Aufgaben nachgehen, sollten sich außerhalb des beruflichen Umfelds kognitive Herausforderungen suchen, damit die ‚Kognitive Reserve‘ im mittleren Lebensalter gestärkt wird. Zudem sollten Präventionsangebote gezielt an Berufsgruppen mit geringen kognitiven Anforderungen gerichtet werden.
Hier geht’s zur Studie: