Trauer ist schmerzvoll, aber sie ist ein wichtiger Prozess der Verarbeitung, wenn ein geliebter Mensch stirbt oder zum Beispiel durch eine Demenz „bei lebendigem Leibe dem Dasein entzogen wird“, wie es der Philosoph Volker Gerhardt formuliert. Dennoch besteht die Gefahr, dass der Bewältigungsprozess krank machen und es zu einer „anhaltenden Trauerstörung“ kommen kann.
Wer um einen geliebten Menschen trauert, befindet sich in einem schmerzvollen emotionalen Ausnahmezustand, der durch unterschiedliche Symptome äußern kann. Dazu gehören etwa Niedergeschlagenheit, Betrübtheit, Ohnmachtsgefühle, abnehmende Lebensfreude und das Sich-zurückziehen, das bis zur selbstgewählten sozialen Isolation führen kann.
In Phasen zurück in das normale Leben
Zu trauern ist von großer Bedeutung, denn der Trauerprozess dient der Psyche dazu, das Erfahrene zu verarbeiten. Psychologinnen und Psychologen teilen den Trauerprozess auf dem Weg zurück in ein normales Leben zum Beispiel in vier Phasen ein, die sich nicht klar voneinander trennen lassen. Die erste Phase ist gekennzeichnet durch ein Nicht-Wahrhaben-Wollen und Verleugnen des Erlebten. Dem folgen in der zweiten Phase Wut, Angst und Verzweiflung; auch kann es zu Schuldgefühlen kommen. Wenn in der dritten Phase der Verlust akzeptiert wird und der Betroffene zum Alltag zurückgehrt, folgt in der vierten Phase eine Neuorientierung. Hier führen neue Perspektiven zu neuem Lebensmut.
Eigenständige Diagnose
Nimmt aber der Schmerz kein Ende, lässt zum Beispiel das Gefühl von Benommenheit nicht nach oder können Hinterbliebene anderen Menschen nicht mehr vertrauen, macht Trauer krank, mit zum Teil schwerwiegenden Folgen. Medizinerinnen und Mediziner sprechen dann von einer „anhaltenden Trauerstörung“. Diese ist eine eigenständige Diagnose in der sogenannten ICD-Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO (ICD-11 6B42) und von einer Depression zu unterscheiden, die sich durch Trauer ebenfalls entwickeln kann. Auch psychosomatische Erkrankungen wie zum Beispiel Kopfschmerzen, permanente Müdigkeit oder Schlafstörungen können die Folgen sein.
Zwar haben 65 bis 99 Prozent der Trauernden einen normalen, nicht pathologischen Trauerverlauf, heißt es in einem Bericht, der in der Fachzeitschrift Der Allgemeinarzt erschienen ist. „Bisherige Studienergebnisse weisen darauf hin, dass frühestens sechs Monate nach Verlust zwischen einer normalen Trauer und einer anhaltenden Trauerstörung unterschieden werden kann“, heißt es dort weiter. Ist eine anhaltenden Trauerstörung diagnostiziert, bedarf diese einer speziellen psychotherapeutischen Behandlung.
Tipp für die Praxis: Trauerbegleitung, Trauercafés oder Trauergruppen können für Hinterbliebene hilfreich sein. Die psychotherapeutische Behandlung bei einer anhaltenden Trauerstörung können sie aber nicht ersetzen.
Bei mir hat es grosse Trauer verursacht, dass ich (und meine Schwester) meine Mutter nicht zu Hause pflegen können. Wir wohnen beide nicht am Ort. Meine Mutter lebt nun seit 1.5 Jahren, mit ihrem Einverständnis, in einer Pflegeinstitution. Leider gefällt es ihr dort nicht und es hat viel Zeit gebraucht, bis sich beide Seiten einigermassen aneinander gewöhnt haben. Wir suchen nun ein anderes Heim, weil es für uns fast nicht erträglich ist, dass es meiner Mutter nicht gefällt.
Ich mache mir Vorwürfe und weiss gleichzeitig, dass es zum Zeitpunkt des Eintritts zu Hause nicht mehr ging. Meiner Mutter geht es körperlich altersentsprechend gut, psychisch zeigte sie wahnhafte Reaktionen, etc.
Es gibt Tage, da kann ich es mit meiner Arbeit vergessen, doch holt es mich oft beim Telefon und wenn ich sie besuche ein.