Demenzdiagnose – und jetzt? Bisher gibt es keine zuverlässige Möglichkeit, degenerative Demenzen zu verhindern oder zu heilen. Im Bereich der medikamentösen Behandlung gab es in den letzten Jahren keine wesentliche Weiterentwicklung. Daher sind nicht-pharmakologische Therapien, wie z.B. die MAKS®-Therapie, für die Behandlung von kognitiven Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz besonders relevant.
Prof. Dr. med. Elmar Gräßel, Leiter des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Erlangen und Mitglied der Projektleitung in digiDEM Bayern, stellte im Webinar die von ihm entwickelte MAKS®-Therapie vor. Ziel der Therapie ist es, motorische, alltagspraktische, kognitive und soziale Fähigkeiten möglichst langfristig zu fördern und zu erhalten. Dies bewirkt eine verbesserte Selbstständigkeit und Lebensqualität von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, was sich auch positiv auf das Belastungserleben der pflegenden Angehörigen auswirken kann.
Hier gibt es das Webinar als PDF zum Download.
Fragen der Teilnehmer*innen und Antworten von Prof. Elmar Gräßel:
MAKS® ist für Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz entwickelt und erprobt worden. Somit ist MAKS® eine Therapiemaßnahme bei bereits bestehender Demenz. Die Komponenten von MAKS®, kognitive, motorische und alltagspraktische Aktivität, eingebunden in sozial-kommunikative Aktivitäten, sind jedoch sehr wohl zur Vorbeugung vor Demenz geeignet. Das heißt, ein hohes Maß an körperlicher und geistiger Aktivität im alltäglichen Leben senkt das Risiko, später eine Demenz zu entwickeln. Wohl gemerkt, es gibt keine Möglichkeit, degenerative Demenzen mit Sicherheit zu vermeiden. Jedoch ist es möglich, das eigene Risiko durch einen günstigen Lebensstil zu verringern. Und hier ist eine lebenslange körperliche und geistige „Regsamkeit“ wissenschaftlich sehr gut untersucht. Es gibt weitere Lebensstilkomponenten, wie zum Beispiel auf einen erholsamen Schlaf zu achten. Aber dies wäre ein eigenes umfangreiches Thema. Zu den Lebensstilkomponenten gibt es einen im März 2020 veröffentlichten Newsletter von digiDEM Bayern.
Sehr hilfreich und wichtig für Menschen mit Demenz ist ein regelhafter Tagesablauf, am besten an sieben Tagen in der Woche. Dabei gilt der Grundsatz, den betroffenen Menschen möglichst sinnvoll in das Tagesgeschehen zu integrieren und dabei Überforderung, aber auch Unterforderung zu vermeiden. Zum Beispiel die Mahlzeiten gemeinsam vorzubereiten und den Menschen mit Demenz hier eine Aufgabe zu geben, die sie/er zumindest mit Unterstützung und Anleitung noch durchführen kann. Das gibt dem Menschen mit Demenz das Gefühl, gebraucht zu werden. Hierbei gilt der Grundsatz, und zwar sowohl zu Hause als auch in stationären Einrichtungen, dass der Biografie des Einzelnen unbedingt Rechnung getragen werden sollte. Was jemand vor Beginn der Demenz schon ungern gemacht und erlebt hat, wird sie/er auch in der Phase der Demenz nicht mögen. Umgekehrt kann an Vorlieben angeknüpft werden, um eine sinnvolle Tagesstruktur herzustellen.
Hier kommt auch die Tagespflege ins Spiel. Sie ermöglicht eine fördernde Betreuung des Menschen mit Demenz und kann sehr zur Entlastung der pflegenden Angehörigen beitragen.
Am sinnvollsten ist es, MAKS® am Vormittag zum Beispiel in der Zeit von 9:30 Uhr bis 11:30 Uhr durchzuführen. Dann kann gegen Ende der MAKS®-Zeit ein fließender Übergang zum Mittagessen geschaffen werden, indem zum Beispiel am Ende des alltagspraktischen Moduls (das ja als letztes Modul durchgeführt wird) gemeinsam der Tisch fürs Mittagessen gedeckt wird. Anschließend kann die MAKS®-Gruppe zusammen Mittagessen. Dadurch ist MAKS® nahtlos in den Alltag eingebunden.
Eine klare Antwort von mir: Fernsehen in der jetzigen Form ist ungeeignet für Menschen mit Demenz. Die Ursache ist, dass Fernsehprogramme auf Menschen ohne kognitive Beeinträchtigungen ausgerichtet sind. Das merkt man daran, dass die Geschwindigkeit, mit der gesprochen wird und mit der die Bilder aneinandergereiht werden, zu hoch ist für die Menschen mit erheblicher kognitiver Beeinträchtigung. Es müsste also ein Fernsehprogramm speziell konzipiert und produziert werden, das auf die spezifischen inhaltlichen (keine emotional belastenden Inhalte) und kognitiven Bedürfnisse (angepasste Geschwindigkeit von Bild und Ton) von Mensch mit Demenz ausgerichtet ist.
Das digitale Handbuch kann hier bestellt.
Bislang wird die MAKS®-Therapie in rund 250 Einrichtungen in Deutschland umgesetzt. Eine Landkarte mit einem Teil der Einrichtungen, die die MAKS®-Therapie bereits anwenden, finden Sie hier.
Durchgeführt wird die MAKS®-m-Therapeuten-Schulung durch unseren Partner ClarCert. Das Schulungskonzept ist zertifiziert durch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. und steht mit deren Grundsätzen im Einklang.
Wer kann als MAKS®-m-Therapeut zertifiziert werden? Für die Ausbildung und Zertifizierung zum MAKS®-m-Therapeuten müssen folgende Grundvoraussetzungen erfüllt sein:
1) Abgeschlossene Ausbildung und / oder Tätigkeit in den Bereichen Betreuung & Pflege, Sozialarbeit, Physio- und Ergotherapie oder auch Tätigkeit auf ehrenamtlicher Basis (40 h – Schulung) oder Leitungsebene (bspw. Heimleitung).
2) Mindestens 6 Monate Erfahrung im Umgang mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.
Schulungsinhalte: Die Schulungsinhalte der MAKS®-m-Therapeuten-Schulung entsprechen den geforderten Inhalten des § 53 c (i. V. m. § 43 b) SGB XI. Weitere Infos finden Sie unter www.clarcert.com.
Schulungsumfang: Die Schulung umfasst insgesamt 24 Unterrichtseinheiten (á 45 Minuten) in 2 Ausbildungsabschnitten. Der erste Block dauert 2 Tage, der zweite Block (8 UE, Wiederholungs- und Reflexionstag) folgt 6 Wochen – maximal 6 Monate – später.
Präsenz und Online-Schulung: Die MAKS®-m-Schulung ist sowohl als Präsenzschulung als auch als Webinar verfügbar. Bei einer hinreichenden Anzahl an Interessenten (ab mind. 8 Teilnehmenden) ist es auch möglich, eine Inhouse-Schulung / ein „Inhouse-Webinar“ zu buchen.
Sämtliche Schulungstermine von ClarCert (Webinar / Präsenz) sowie die Teilnahmegebühren finden Sie unter: https://wissenswerk.clarcert.com/
Bundesweite Förderung durch Pflegekassen: Die Ausbildung zum MAKS®-Therapeuten wird bundesweit durch mehrere Pflegekassen gefördert. Auf www.clarcert.com erfahren Sie, welche Kassen in welchen Bundesländern MAKS® finanzieren.
Weitere Fragen zur Schulung?
Mail: schulung@clarcert.de / Tel. +49 (0)7 31 / 70 51 16 – 50
Die Gruppengröße sollte so gestaltet werden, dass soziale Interaktion als wichtiger Bestandteil der MAKS®-Therapie ermöglicht wird. Angestrebt wird ein Umfang von zehn bis zwölf Personen mit der Unterstützung durch zwei Therapeut*innen. Es sind aber auch kleinere Gruppen von drei bis vier Personen denkbar, um den aktuellen Hygienevorschriften gerecht werden zu können. Darüber hinaus wird derzeit das Unterstützungsangebot MAKS®-home erarbeitet, welches zuhause von der/dem Angehörigen durchgeführt werden kann.
Im Idealfall unterscheiden sich die Gruppenteilnehmer*innen kaum hinsichtlich ihres kognitiven Leistungsniveaus. Manchmal ist dies in der Praxis nicht möglich, daher bietet die MAKS®-Therapie im Bereich der kognitiven Übungen drei unterschiedlich anspruchsvolle Versionen für jede Übung an. Es ist dann sinnvoll, Untergruppen je nach Leistungsniveaus zu bilden, die durch Therapeut*innen betreut werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass bei den alltagspraktischen Übungen die Personen gezielt durch die Therapeut*innen angeleitet werden. Die etwas schwierigeren Teilaufgaben können dann von den Personen durchgeführt werden, die etwas „leistungsfähiger“ sind. Hier bedarf es der Erfahrung der Therapeut*innen. Genau dieser Punkt wird in der Schulung zur MAKS®-Therapeut*in dann auch gelehrt.
Ein Einschlusskriterium für die Teilnahme an den MAKS®-Studien war das Vorliegen einer ärztlich diagnostizierten Demenz. Die Diagnosen der Teilnehmenden wurden aus den Dokumentationen der jeweiligen Einrichtung entnommen. Eingeschlossen wurden alle Arten von Demenz, ausgenommen der rein vaskulären Demenz, welche als Folge multipler Schlaganfälle auftritt und deren Verlauf stark von anderen Demenzformen abweicht. Die verschiedenen Demenzformen waren in der Interventions- und in der Kontrollgruppe gleich verteilt. An der letzten Studie in den Tagespflege-Einrichtungen nahmen 463 Personen mit Demenz teil, und zwar 263 in der Interventionsgruppe und 190 in der Kontrollgruppe. Die Tagespflege-Einrichtungen boten MAKS® jeden Tag von Montag bis Freitag an, aber die teilnehmenden Personen ergaben sich aus dem „natürlichen“ Besuch der Tagespflege. Es handelte sich somit um „offene“ Gruppen. Wir haben bewusst kein Instrument zur Erfassung der Lebensqualität verwendet, da Lebensqualität ein äußerst subjektives Konzept ist. In den gängigen Lebensqualitätsskalen fließt nicht ein, für wie wichtig der Einzelne einen bestimmten Aspekt von Lebensqualität für sich persönlich einschätzt.
Die Veröffentlichungen rund um die MAKS®-Therapie finden Sie frei zugänglich hier.
Die mir bekannten Informationen zeigen ein klares und leider erschreckendes Bild: Durch die starke Reduktion der sozialen Kontakte, einhergehend mit einem weitgehenden Stopp von fördernden Angeboten – entweder im Einzelkontakt oder in der Gruppe –, hat sich im Durchschnitt eine deutliche Zunahme des kognitiven Abbaus und der gesamten Demenzsymptomatik gezeigt. Man kann die Auswirkungen der Pandemie-Situation auf Demenzbetroffene, vor allem in stationären Einrichtungen, so zusammenfassen: Das körperliche Überleben wurde so gut wie möglich gewährleistet, jedoch auf Kosten einer deutlichen Zunahme der Krankheits-Progression. Perspektivisch sollte deshalb der Fokus darauf gesetzt werden, soziale Interaktion in den Einrichtungen wieder zu ermöglichen. Im Sommer sind dann Angebote im Freien hilfreich.
Dienstag, 13.04.2021, 11.00-11.45 Uhr
Anne Keefer
Wissenschaftliche Mitarbeiterin M. Sc.Moderation
Kathrin Steichele
Wissenschaftliche Mitarbeiterin M. Sc.Betreuung Chatroom & Fragen
Weitere Informationen zur MAKS®-Therapie finden Sie hier.
Mit der Webinar-Reihe „Science Watch LIVE“ bieten wir einen zusätzlichen Service zu unserem monatlichen Newsletter digiDEM Bayern Science Watch, in dem wir wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Demenzforschung bereitstellen.
Vor dem Hintergrund massenhaft verbreiteter Halbwahrheiten und Fake News, aktuell zum Beispiel über das neue Corona-Virus, ist gerade jetzt evidenzbasierte Wissenschaft gefragt. Es ist wichtiger denn je, wissenschaftliche Erkenntnisse so zu vermitteln, dass sie für die Gesellschaft verständlich sind und ein Austausch darüber gefördert wird. Dazu möchten wir als digiDEM Bayern-Projektteam beitragen, jetzt auch mit digiDEM Bayern Science Wach LIVE.