Leichte kognitive Beeinträchtigungen (mild cognitive impairment: MCI) können ein Vorstadium einer Demenz sein. In einigen Fällen entwickelt sich MCI jedoch wieder zurück, und der geistige Zustand der Betroffenen normalisiert sich. Der Verlauf von MCI gibt der Forschung noch Rätsel auf. Eine aktuelle Studie aus Schweden hat sich damit befasst.
Wissenschaftler*innen haben die Diagnose MCI in den vergangenen Jahren immer stärker in den Blick genommen. Ihr Ansatz: Da nach wie vor keine medikamentöse Heilung von Demenzerkrankungen in Sicht ist, soll eine Behandlung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt den Verlauf der Erkrankung verlangsamen. Hier wird MCI relevant. Immerhin treten Studien zufolge pro Jahr rund 10-20 Prozent der Menschen mit MCI ins Stadium einer Demenz über. Allerdings liegt die “Rückkehrrate” noch höher: Bei rund 26 Prozent normalisiert sich der geistige Zustand wieder. Das Thema ist sensibel, denn schon die Diagnose MCI kann Menschen extrem verunsichern.
Schwierige Unterscheidung zwischen MCI und Vergesslichkeit im Alter
Wie verlässlich ist also die Diagnose MCI? Wann handelt es um das Vorstadium einer Demenz – und wann um normale Alterserscheinungen? Wann erfolgt eine Rückkehr zum normalen geistigen Zustand – und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Diese Fragen haben die schwedischen Forscher*innen Marieclaire Overton und ihre Kolleg*innen untersucht.
Die Autor*innen gehen zunächst auf bislang vorliegende Untersuchungen über MCI ein: Danach wechselt bei Personen mit MCI häufig der Subtyp, z.B. vom amnestischem MCI (beeinträchtigt ist vorwiegend die Gedächtnisleistung) zum nichtamnestischen MCI (beeinträchtigt ist vorwiegend die Denkleistung, zum Beispiel das Planen). Darüber hinaus berichten einige Artikel über den Langzeitverlauf von MCI, insbesondere bei den Personen, deren Zustand sich wieder normalisiert. Gerade diese Personen, so Overton und ihr Team, seien besonders interessant, da nachgewiesen worden sei, dass sie eher zu einer Demenz fortschreiten könnten als Personen ohne MCI-Diagnose.
Menschen mit MCI über 6 und 12 Jahre beobachtet
Für ihren Artikel werteten sie die Daten einer schwedischen Bevölkerungsstudie aus: Um die Beständigkeit der MCI-Diagnose und die Rückkehrrate zum normalen geistigen Zustand innerhalb von sechs Jahren zu untersuchen, zogen sie die Daten von 331 Teilnehmenden im Alter von 60 – 95 Jahren mit diagnostiziertem MCI heran. Für eine entsprechende Analyse über einen Zeitraum von zwölf Jahren nutzten sie die Angaben von weiteren 410 Teilnehmenden mit MCI. Als mögliche Einflussfaktoren für eine Rückkehr zum normalen Zustand untersuchten sie u.a. demografische und psychologische Kriterien.
Bei mehr als der Hälfte entwickelte sich MCI zurück
Die Ergebnisse zeigten eine hohe Rückkehrrate innerhalb von sechs Jahren: Bei mehr als der Hälfte der Proband*innen mit stabilem MCI (also ohne Wechsel des Subtyps) normalisierte sich der geistige Zustand innerhalb dieses Zeitraums wieder. Allerdings entwickelte fast jeder Vierte dieser “Rückkehrer” innerhalb von zwölf Jahren erneut MCI. Die Autor*innen beobachteten hier einen “Yoyo-Effekt”.
Bei jüngeren Teilnehmenden lag die Rückkehrrate zum Normalzustand höher als bei älteren. Zudem wirkten sich die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit, ein gutes Konzentrationsvermögen und der MCI-Subtyp günstig aus.
Den Wissenschaftler*innen zufolge unterstützen die Erkenntnisse die Annahme, dass sowohl die Rückbildung von MCI zum normalen geistigen Zustand als auch der erneute Übergang zu MCI häufig vorkommen. Dies deute darauf hin, dass der Verlauf von MCI nicht unbedingt direkt zu Demenz führt. Darüber hinaus könne die Bewertung von Faktoren, die mit der Rückkehr verbunden sind, dabei helfen, eine Vorhersage des MCI-Verlaufs zu erstellen.
Hier finden Sie die Studie:
Diagnostic Stability of Mild Cognitive Impairment, and Predictors of Reversion to Normal Cognitive Functioning (Mai 2020)