Wie wirkt sich das Geschlecht pflegender An- und Zugehöriger auf die Pflegebelastung aus? Spielen regionale oder wirtschaftliche Faktoren eine Rolle? Forschende aus den USA kamen zu dem Ergebnis, dass ein entscheidender Faktor für die Pflegebelastung das Geschlecht ist.

In einer systematischen Überprüfung von 47 Studien mit fast 15.000 pflegenden An- und Zugehörigen von Menschen mit Demenz haben Forschende aus den USA untersucht, wie sich das Geschlecht auf die Pflegebelastung auswirkt und ob regionale oder wirtschaftliche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Die meisten pflegenden Angehörigen waren entweder Ehepartner (44 Prozent) oder erwachsene Kinder (43 Prozent). Zusammengenommen pflegten sie überwiegend Menschen mit Alzheimer-Demenz. Die Studie wurde im Juli 2025 publiziert. 

Forschende aus den USA kamen zu dem Ergebnis, dass ein entscheidender Faktor für die Pflegebelastung das Geschlecht ist.
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Traditionelle gesellschaftliche Erwartungen

Eines der zentralen Ergebnisse lässt aufhorchen. Weibliche pflegende An- und Zugehörige erlebten eine bedeutend höhere Belastung als Männer, die pflegten. Die Studie bestätigte frühere Forschung: Frauen sind stärker belastet und leiden häufiger unter Stress, Angst, Depressionen und einem geringeren Wohlbefinden. Den Unterschied zwischen den Geschlechtern führten die Forschenden auf auf traditionelle geschlechterspezifische Rollen, erlernte Verhaltensweisen und damit verbundene gesellschaftliche Erwartungen zurück, die Frauen die Hauptverantwortung für emotionale und körperliche Pflege zuschreiben. 

Pflegende Frauen in Asien stärker belastet

Zwischen den Regionen, also etwa zwischen Pflegenden in Asien und in westlichen Ländern, waren die Unterschiede aus statistischer Sicht nicht bedeutsam. Es zeigten sich in Asien die größten Geschlechtsunterschiede hinsichtlich der Belastung. Hier können Traditionen wie die sogenannte „Kindliche Pietät“, also die Erwartungshaltung, sich um alternde Eltern zu kümmern sowie kollektivistische Werte die Belastung erhöhen. Viele Frauen in Asien verstehen Pflege nicht nur als Verpflichtung, sondern auch als einen wichtigen Ausdruck von Liebe und als eine Quelle persönlicher Erfüllung. Andererseits können aber starke familiäre Unterstützungssysteme die psychologische Belastung etwas abmildern. 

Für die Forschenden ist es deshalb unerlässlich, das Geschlecht berücksichtigende und kulturell zugeschnittene Maßnahmen zu entwickeln. Die Maßnahmen sollten auch darauf abzielen, die Pflege von einer primär weiblichen Verpflichtung hin zu einer geteilten familiären Verantwortung zu verlagern.

Wirtschaftliche Faktoren

In der Übersichtsarbeit analysierten die Forschenden auch, inwiefern wirtschaftliche Faktoren – sprich die eigene finanzielle Situation – auf die Pflegebelastung Einfluss nehmen könne. So zeigten sich in Ländern mit hohem Einkommen größere Ungleichheiten als in Ländern mit mittlerem Einkommen. 

In einkommensstarken Ländern lag der Anteil der durch Ehepartner erbrachten Pflegeleistungen bei 44,64 Prozent; hierbei handelte es sich überwiegend um Frauen. Die intensive emotionale Bindung und die gesellschaftliche Erwartung, dass der Ehepartner die Pflege übernimmt, könnten die Belastung verstärken, selbst dann, wenn den Pflegenden Unterstützungsleistungen zur Verfügung stehen, zum Beispiel Tagespflege für Erwachsene, Entlastungspflege oder finanzielle Unterstützung. 

Die Belastung der pflegende Ehepartner reduzieren

Aus diesem Grund empfehlen die Forschenden: In Ländern mit hohem Einkommen sollten medizinisches Personal, Pflegekräfte oder Sozialarbeiter weibliche pflegende Ehepartner pro-aktiv identifizieren und sicherstellen, dass diese die verfügbaren Entlastungs- und Unterstützungsdienste auch tatsächlich nutzen, um ihre Belastung zu reduzieren. 

In Ländern mit mittlerem Einkommen pflegten hingegen mit einem 70,54 Prozent die Älteren. Sie teilten sich die Pflegeaufgaben oft mit Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern.Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstreichen die Studienergebnisse die Wichtigkeit der Berücksichtigung breiterer sozialer, kultureller und struktureller Einflüsse auf die Belastung pflegender An- und Zugehöriger.

Die Belastung der pflegende Ehepartner reduzieren

Aus diesem Grund empfehlen die Forschenden: In Ländern mit hohem Einkommen sollten medizinisches Personal, Pflegekräfte oder Sozialarbeiter weibliche pflegende Ehepartner proaktiv identifizieren und sicherstellen, dass diese die verfügbaren Entlastungs- und Unterstützungsdienste auch tatsächlich nutzen, um ihre Belastung zu reduzieren. 

In Ländern mit mittlerem Einkommen pflegten hingegen mit einem 70,54 Prozent die Älteren. Sie teilten sich die Pflegeaufgaben oft mit Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern.Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstreichen die Studienergebnisse die Wichtigkeit der Berücksichtigung breiterer sozialer, kultureller und struktureller Einflüsse auf die Belastung pflegender An- und Zugehöriger.

Tipp für die Praxis: Sprechen Sie in Ihrem Umfeld weibliche pflegende Ehepartner frühzeitig und aktiv an und weisen Sie sie auf Entlastungs- und Unterstützungsangebote hin. Unterstützen Sie sie dabei, diese Angebote auch tatsächlich zu nutzen, um deren Belastung wirksam zu reduzieren.

Hier geht’s zur Studie:

Sex and gender differences in caregiver burden among family caregivers of persons with dementia: A systematic review and meta-analysis

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