Worin liegt eigentlich die Natur des herausfordernden Verhaltens bei Demenz in familiären Umgebungen? Warum können manche pflegende An- und Zugehörige nicht mit verhaltensbezogenen und psychologischen Symptomen (BPSD) umgehen? Eine britische Studie beantwortet viele wichtige Fragen.
Bis zu 90 Prozent der Menschen mit Demenz sind zum Beispiel von Unruhe, wiederholtem Rufen, Schlafstörungen, Umherirren und Apathie betroffen. Manche der pflegenden An- und Zugehörigen empfinden diese verhaltensbezogenen und psychologischen Symptome (englisch für „Behavioural and Psychological Symptomes“, BPSD) jedoch als herausfordernd. Wie kann und sollte man veränderten Verhaltensweisen gegenüberstehen oder etwa den Stress bewältigen, den die Symptome sowohl bei den Betroffenen als auch bei den Pflegenden selbst hervorrufen?
Britische Wissenschaftler*innen haben sich bereits 2016 in einer Übersichtsarbeit das Ziel gesetzt, die „Natur des herausfordernden Verhaltens bei Demenz in familiären Umgebungen besser zu verstehen“. Sie interessierten sich außerdem für die Frage, weshalb einige pflegende Angehörige Schwierigkeiten haben, mit BPSD umzugehen und andere nicht.
Verlust von Identität und emotionalen Bindungen
„Der zugrunde liegende Glaube, dass ihre Angehörigen aufgrund der Demenz ihre Identität verloren hatten oder unweigerlich verlieren würden, war ein wesentlicher Grund dafür, dass pflegende Angehörige das Verhalten als herausfordernd empfanden“, schreiben die Forschenden. Hinzu kommen Veränderungen in der Kommunikation und in den Beziehungen, die zu einem „Gefühl der Vernachlässigung“ oder auch zu einem Verlust der emotionalen Bindung führen.
„Pflegende Angehörige nahmen BPSD als eine Herausforderung wahr, die mit einem Gefühl der Verschlechterung der Beziehungen verbunden war, aber auch mit der Verletzung sozialer Normen durch die Betreuenden und der zugrundeliegenden Überzeugung, dass Menschen mit Demenz unweigerlich ihre ‚Persönlichkeit‘ verlieren.“
Besserer Umgang mit der Situation
Den Studienautor*innen ist es gelungen, ein psychologisches Verständnis der unerfüllten Bedürfnisse von pflegenden An- und Zugehörigen zu skizzieren, denen es schwerfällt, die veränderten Umstände zu akzeptieren und sich an sie anzupassen. Es entstehe ein „eigenes unbefriedigtes Bedürfnis des Betreuers nach Fürsorge und emotionaler Sicherheit.“ Sei dieses Gefühl aber vorhanden, kann es dazu beitragen, dass die Betreuer die Verhaltensweisen nicht mehr als herausfordernd wahrnehmen und besser mit der Situation umgehen können.
Ungedeckter Bedarf an Unterstützung
Die Reaktionen der Pflegekräfte auf die BPSD sind unterschiedlich, und die Art und Weise, wie Pflegekräfte ihre Situation akzeptieren und mit demenzbedingten Problemen umgehen, kann den Verlauf von BPSD beeinflussen. Dies könnte, schreiben die Wissenschaftler*innen, der Grund dafür sein, dass zwei Drittel der Familien, selbst wenn sie professionelle Unterstützung erhalten, einen ungedeckten Bedarf im Umgang mit BPSD angeben.
Tipp für die Praxis: Um das Verhalten und die psychologischen Symptome bei Demenz besser zu bewältigen, sollten Interventionsprogramme nicht nur auf den Bedürfnissen des an Demenz erkrankten Familienmitglieds basieren, sondern auch die (unerfüllten) psychologischen Bedürfnisse der pflegenden Angehörigen berücksichtigen. Diese könnten pflegende Angehörige beispielsweise darin unterstützen, ihre neue Rolle zu definieren, neue Kommunikationsmittel zu finden und mehr Gelegenheiten für gemeinsame Aktivitäten zu schaffen.
Hier geht’s zur Studie: