Menschen mit Demenz sind im Verlauf ihrer Erkrankung mit zahlreichen Veränderungen, Verlusten und Ängsten konfrontiert. Um Lebensfreude, Sinn und das Alltagsleben nach Möglichkeit zu erhalten, ist es wichtig, wie Betroffene mit ihrer Situation umgehen. Welche Bewältigungsstrategien wenden sie an? Das haben norwegische Forscher*innen analysiert.
Guro Hanevold Bjørkløf und Kolleg*innen werteten in ihrer Übersichtsstudie 74 Artikel aus, die 955 Interviews mit Menschen mit Demenz enthielten. Der Verlust von Autonomie, Kontrolle und von sozialen Beziehungen, außerdem Angst, Scham und das Gefühl der Stigmatisierung – all diese Erfahrungen und Gefühle wurden darin von Menschen mit Demenz genannt. Manche der Befragten gaben an, keinen Sinn mehr im Leben zu sehen und keine Lebensfreude mehr zu empfinden. Der kontinuierliche Verlust ihrer Fähigkeiten hatte einen starken Einfluss auf ihren Alltag.
Humor sowie praktische und emotionale Unterstützung als wichtigste Ressourcen
Wie gehen Betroffene mit solch existenziellen und beängstigenden Erfahrungen um? Die Forscher*innen fanden heraus, dass es dafür zwei wesentliche Ressourcen gibt, die sich quer durch die ausgewerteten Artikel zogen: Humor sowie praktische und emotionale Unterstützung. Humor dient danach als Ventil und Schutzmechanismus: „Indem man lacht, statt zu weinen, kann Humor als Schutz in überwältigenden Situationen eingesetzt werden“, schreiben die Autor*innen. Die Fähigkeit, die lustige Seite zu sehen, könne Stress abbauen, von negativer Stimmung ablenken und positive Gefühle hervorrufen. Die zweite Ressource – soziale und emotionale Unterstützung – beschreibt die Unterstützung und Hilfe, die man von anderen erhält, zum Beispiel von der Familie und von Freunden.
Vier allgemeine Bewältigungsstrategien
Die Autor*innen identifizierten vier allgemeine Strategien, mit denen Betroffene auf ihre Demenzerkrankung reagieren
Weitermachen und am gewohnten Leben festhalten:
Betroffene tun nach Möglichkeit die Dinge, die sie auch vor der Diagnose getan haben. Ihr Fokus liegt auf der Gegenwart und darauf, an bewährten Gewohnheiten und sozialen Beziehungen festzuhalten.
Anpassen und Einstellen auf die Anforderungen der Situation:
Betroffene passen sich an, indem sie ihre Erwartungen an sich selbst und an die Dinge, die sie noch tun können, verändern. Sie suchen nach Informationen, um die Zukunft zu planen und sich aktiv darauf vorzubereiten.
Akzeptieren der Situation:
Betroffene erkennen die Diagnose und ihre Situation an. Sie finden sich damit ab, wenn auch zum Teil resigniert, und sind sich bewusst, was sie selbst tun können und wann sie Hilfe benötigen.
Vermeiden der Situation:
Betroffene entziehen sich stressvollen Situationen, zum Beispiel durch einen Themenwechsel in einem Gespräch oder durch bewusste Ablenkungen. Der Grund könnte ein aktiver Widerstand gegen Anpassung, Veränderung oder gegen die Annahme von Hilfe sein, da all dies die Akzeptanz der Demenz bedeuten würde.
Häufig wenden Menschen mit Demenz der Studie zufolge eine Mischung aller Strategien an, zum Teil gleichzeitig, zum Teil zeitlich versetzt – angepasst an die jeweils aktuellen Herausforderungen. Das Wissen über diese Bewältigungsstrategien ist nach Ansicht der Autor*innen wichtig sowohl für Fachpersonal aus dem Gesundheitswesen als auch für pflegende Angehörige, um Menschen mit Demenz eine unterstützende Umgebung zu ermöglichen, ihren Alltag zu erleichtern und emotionale und praktische Hilfe zu geben.
Die vollständige Studie finden Sie hier:
Balancing the struggle to live with dementia: a systematic meta-synthesis of coping (Oktober 2019)