Nehmen Menschen mit Demenz Antipsychotika ein, ist dies mit einem erhöhten Risiko für unerwünschte Ereignisse wie zum Beispiel Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Lungenentzündung verbunden. Zu diesem Ergebnis kamen Forschende aus Großbritannien, Norwegen und Griechenland.
Forschende aus Großbritannien wiesen ihrer Studie, die 2024 veröffentlicht wurde, auf die aktuelle Versorgungssituation hin: „Trotz Sicherheitsbedenken werden Antipsychotika weiterhin häufig zur Behandlung von Verhaltens- und psychischen Demenzsymptomen verschrieben.” Nun haben die britischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachgewiesen, welche unerwünschten Ereignisse – wie zum Beispiel Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Lungenentzündung – möglicherweise mit der Einnahme von Antipsychotika von Menschen mit Demenz in Zusammenhang stehen.

Daten von knapp 174.000 Menschen mit Demenz
Dazu analysierten sie Daten von knapp 174.000 Menschen mit Demenz, die zum Zeitpunkt ihrer Demenz-Erstdiagnose 50 Jahre oder älter waren und die Antipsychotika einnahmen. „Die Anwendung von Antipsychotika ist bei Menschen mit Demenz mit einer Vielzahl schwerwiegender Nebenwirkungen verbunden”, heisst es in der Studie. Demnach stand die Einnahme von Antipsychotika bei Erwachsenen mit Demenz gegenüber Nichtanwendern in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle, venöse Thromboembolien, Herzinfarkte, Herzversagen, Knochenbrüche, Lungenentzündungen und akute Nierenschäden verbunden, aber nicht für Herzrhythmusstörungen.
Behandlungspläne regelmäßig überprüfen
In ihrem Fazit werden die Forschenden deutlich: „Der potenzielle Nutzen einer antipsychotischen Behandlung muss gegen das Risiko schwerwiegender Schäden abgewogen werden, und die Behandlungspläne sollten regelmäßig überprüft werden”. Des Weiteren sei die Wirkung von Antipsychotika auf Verhaltens- und psychische Symptome von Demenz “bestenfalls gering”. Demgegenüber sei der Anteil der Menschen mit Demenz, denen Antipsychotika verschrieben wurden, in den letzten Jahren gestiegen. Das Forschungsergebnis sei speziell für Leitlinienentwickler, Regulierungsbehörden und Kliniker “von unmittelbarer Relevanz”.
Mehr Krankenhausaufenthalte und Heimunterbringungen
Dass die Anwendung von Antipsychotika bei Demenz mit dem Risiko verschiedener unerwünschter Ereignisse verbunden ist, hat eine Studie von norwegischen und griechischen Forschenden bereits 2022 gezeigt. Auch diese Forschenden wiesen darauf hin, dass häufig Antipsychotika verschrieben werden, wenn zum Beispiel Apathie, Depression, Psychosen, Reizbarkeit, Impulsivität und Agitiertheit behandelt werden müssen. Zu den unerwünschten Ereignissen gehören unter anderem Sedierung und das Versterben der Betroffenen; außerdem ziehe die Verabreichung von Antipsychotika eine “erhöhte Anzahl von Krankenhausaufenthalten und Heimunterbringungen” nach sich.
Beeinflussung von Risiken ist möglich
Im Unterschied zu der britischen Studie haben die Forschenden aus Norwegen und Griechenland festgestellt: “Die mit der Anwendung von Antipsychotika bei Demenz verbundenen Risiken werden durch eine Reihe veränderbarer und nicht veränderbarer Faktoren beeinflusst.” Als Beispiele gelten die gleichzeitige Verschreibung anderer Medikamente, medizinische und psychiatrische Mehrfacherkrankungen sowie demografische Faktoren wie Alter und Geschlecht, “was individuelle Behandlungsentscheidungen schwierig macht”, unterstreichen die Studienautoren.
Engmaschig überwachen
Antipsychotika würden außerdem mit einem erhöhten Risiko der Abhängigkeit von Langzeitpflege und der Verbringung in ein Pflegeheim in Verbindung gebracht und sind “für die Gesundheitssysteme möglicherweise nicht kosteneffizient”. “Viele dieser Risiken lassen sich potenziell durch eine engmaschige Überwachung des körperlichen Gesundheitszustands während der antipsychotischen Behandlung sowie durch ein frühzeitiges Absetzen der Pharmakotherapie, wenn klinisch möglich, mindern.”
Vorteile und Risiken einzelner Medikamente abwägen
In der Übersichtsarbeit haben die Forschenden einen aktuellen Überblick über die Ergebnisse zu unerwünschten Ergebnissen und klinischen Implikationen der Anwendung von Antipsychotika bei Demenz zusammengestellt. Was aber bedeuteten die Forschungsergebnisse für die Verschreibungspraxis für Antipsychotika bei Menschen mit Demenz? Darauf haben die Forschenden eine Antwort gefunden: “Ärzte müssen bei der Verschreibung individuell vorgehen und potenzielle Vorteile und Risiken einzelner Medikamente im Kontext der Symptome, Umstände, verschriebenen Medikamente und Komorbiditäten des Patienten abwägen. Ein solch differenzierter Ansatz könnte das Risiko senken.”
Tipp für die Praxis: Ärztinnen und Ärzte sollten bei der Verschreibung von Antipsychotika bei Menschen mit Demenz den potenziellen Nutzen mit den individuellen Risiken abwägen.
Hier geht’s zu den beiden Studien: