Wie die Solo-Künstlerin Leah Weigand ihre beruflichen und privaten Erfahrungen mit Demenz verarbeitet, sehen und hören Sie in den beiden Videos „Oldtimer“ und „Vergessenslücken“.
Leah Weigand steht seit 2017 auf den Poetry Slam-Bühnen des deutschsprachigen Raums. Unter anderem erreichte sie 2022 das Finale der deutschsprachigen Poetry Slam-Meisterschaften in Wien. In ihren Texten schreibt sie einmal melancholisch und nachdenklich, einmal lebenslustig und heiter.
Mit ihren Texten ist sie aber auch Gast bei Kunstveranstaltungen und unterschiedlichen anderen Events. Nach der Schule verbrachte sie als Freiwillige zunächst ein Jahr in Uganda, absolvierte anschließend die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin und studiert derzeit Medizin in Marburg.
Leah Weigand war Gast unseres digiDEM Bayern Science Watch LIVE-Webinars „Menschen mit Demenz – ganz persönlich“ am 13.12.2022, in dem die frühere Unternehmerin Simone S. über ihre Demenzerkrankung gesprochen hat. Hier geht’s zur Webinaraufzeichnung.
Lesen Sie zwei Auszüge von Texten von Leah Weigand. Wenn Sie nach unten scrollen, gelangen Sie zu den Videos, die uns die Künstlerin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
„Oldtimer“ (Textauszug) von Leah Weigand
„Wenn‘s dunkel wird, geht man zu Bett und
Wenn‘s hell wird steht man auf,
denn das ist gesund und
gut für den Stromverbrauch“,
Spricht die blassgraue Skizze,
selbst zwar verschwommen und matt,
so deutlich und bunt,
ganz verständlich und satt.
Der Mann mit dem leuchtend silbernen Haar,
dort auf den Fotos, der war einst da.
Eine fiktive Figur,
die Fotoalben und Gedächtnissen entspringt,
und deren Name wie im Märchen klingt,
so sagen- und fabelhaft, wie sie im Buche steht,
war einst mal pure Realität.
Ging über dieselbe Erde,
berührte denselben Baum,
saß auf gleichem Sessel,
im selben Raum.
Sie sah genauso in Farbe,
und nicht nur schwarz-weiß,
schmeckte Ingwer und Eis,
spürte kalt und heiß.
Sehen Sie sich das Video mit dem von Leah Weigand vorgetragenen vollständigen Text „Oldtimer“ an (Dauer: ca. 5 min).
„Vergessenslücken“ (Textauszug) von Leah Weigand
Als ich klein war hatte ich manchmal Motten in meinem Schrank,
Die Motte ist eigentlich ein Schmetterling,
doch ist sie braun und blau- grau,
und so wohl ein Sonderling.
Aufgrund ihres Camouflage Kleids,
verfügen sie über gute Tarnbarkeit.
Und ist auch mein Schrank
längst schon Motten- Speisesaal,
wirkt er auf den Betrachter
oft noch völlig normal.
Die Insekten sind überall,
kennen keine Nation,
es gibt sie heute, gab sie gestern,
und in der Steinzeit wohl schon.
Sie lieben den Strickschal,
fressen Sofapolster kahl,
und bevorzugen vor allem altes Material.
Und weil sie Löcher in meine Kleider bissen,
machte meine Mutter Flicken drauf,
und schenkte mir Lavendelkissen.
Dann gabs guten Duft,
und auch keine Löcher mehr.
Doch das alles ist vergangen,
und schon viel zu lange her.
Heute habe ich Motten im Kopf,
die Löcher in Synapsen beißen,
sie ernähren sich von Stoffen,
die Acetylcholine heißen.
Und ihr Mottendreck,
bleibt dann als Plaque dort hängen,
den macht keiner weg.
In den Neuronengängen.
Und ja sie stehn auf altes Material,
die Synapsen- Motten,
und ich hatte nie die Wahl,
sie auszurotten.
Sehen Sie sich das Video mit dem von Leah Weigand vorgetragenen vollständigen Text „Vergessenslücken“ an (Dauer: ca. 7 min)
Ihre Texte sind ganz große Kunst und berühren mich sehr. Das, was Picasso und Van Gogh mit Pinsel und Farbe erschufen, schaffen Sie mit Worten. Ich empfinde Bewunderung und zugleich Dankbarkeit für jedes Ihrer Werke.