Pflegende An- und Zugehörige erleben nicht nur negative Seiten der häuslichen Pflege, sondern erfahren auch positive Auswirkungen, die sich erst durch die Pflegetätigkeit ergeben. Dass häusliche Pflege auch ihre positiven Seiten hat, wies ein Forschungsteam des Uniklinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) bereits 2023 nach.
Das Ziel der Forschenden war es, zur Verbesserung der Pflegesituation in Deutschland beizutragen. Im Mittelpunkt stand hierbei die Erforschung der sogenannten Zugewinne durch die häusliche Pflege, also deren positive Seiten. Die erlebten Zugewinne, die sogenannten Benefits, können dabei vorteilhafte Effekte sowohl auf die Pflegenden, die Gepflegten und die gesamte Situation haben. Negative psychologische Auswirkungen wie zum Beispiel eine Depression oder körperliche Beschwerden könnten durch das Erleben von Zugewinnen abgemildert werden.

Mehr Wertschätzung und eine positivere Lebenseinstellung
So gaben 61,7 Prozent der Befragten an, dass ihnen durch die Pflegetätigkeit deutlicher geworden ist, welche Werte ihnen persönlich in ihrem Leben wichtig sind. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmenden habe „viel dazu gelernt“, sagten die Forschenden. 41 Prozent berichteten, ihre Zeit besser organisieren zu können. Zu den Zugewinnen zählen auch weitere Erfahrungen: Die pflegenden An- und Zugehörigen sind geduldiger und reifer geworden, erlebten mehr Wertschätzung seitens Anderer oder haben eine positivere Lebenseinstellung gewonnen.
Wissenschaftliche Besonderheit der Studie
Die Studie zeichnete sich durch eine wissenschaftliche Besonderheit aus. Um den Zugewinn durch häusliche Pflege wissenschaftlich gültig zu erfassen, haben die Forschenden weltweit erstmalig einen speziellen Fragebogen „Benefits of Being a Caregiver“ (deutsch: Zugewinne für pflegende Angehörige durch die Tätigkeit als pflegender Angehöriger, BBCS-Skala) entwickelt. Mit dessen Hilfe erfahren diese einen Nutzen für sich selbst. Gleichzeitig lernen sie aber auch, dass der erlebte Nutzen das Ergebnis ihrer Pflegetätigkeit ist.
Expertise unterschiedlichster Fachleute
In die Entwicklung des Fragebogens wurden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, Expertinnen und Experten aus der Demenzversorgung und der Pflege sowie An- und Zugehörige einbezogen. In einer repräsentativen Piloterhebung, unterstützt vom Medizinischen Dienst (MD) Bayern, befragten die Forschenden, 961 pflegende An- und Zugehörige. Das Ziel war es, „günstige Faktoren“ zu ermitteln, die zu mehr Benefits führen.
Durchschnittsalter 61 Jahre
Die pflegenden An- und Zugehörigen, die an der Studie teilgenommen haben, waren im Durchschnitt 61 Jahre alt und zu mehr als zwei Dritteln Frauen (76,2 Prozent), wissen die Forschenden. Mehrheitlich waren es die Partnerinnen und Partner und die erwachsenen (Schwieger-)Töchter und -Söhne (87,1 Prozent), die ihre Angehörigen unterstützen. Das Durchschnittsalter der Pflegebedürftigen betrug 77 Jahre, 64 Prozent waren Frauen. Knapp 48 Prozent der Pflegenden waren berufstätig. Ursächlich für die Pflegebedürftigkeit waren zum Beispiel eine Demenzerkrankung, Altersgebrechlichkeit, Schlaganfall und Krebs.
Die BBCS-Skala ist nicht nur auf häusliche Pflegesituationen im Zusammenhang mit Demenz anwendbar, sondern auf alle Situationen, die einen Pflegebedarf bei älteren Menschen zur Folge haben. Sie kann als wissenschaftlich evaluiertes Instrument sowohl in der Forschung als auch in der Praxis angewendet werden.
Tipp für die Praxis: Die Pflege eines Menschen mit Demenz kann auch positive Auswirkungen auf die Pflegenden haben. Widmen Sie als Pflegende Ihrer eigenen Gesundheit mehr Aufmerksamkeit, seien Sie achtsam mit sich selbst und konzentrieren Sie sich auch auf die „Benefits“, die die Pflegetätigkeit hervorbringen kann.
Hier geht’s zur Studie:
Unser Tipp: Den Fragebogen bzw. die entwickelte Benefit-Skala zur Ermittlung ihres eigenen Unterstützungsbedarfs „Benefits of Being a Caregiver“ können Sie hier kostenfrei auf der Webseite des Universitätsklinikums Erlangen herunterladen.
