Bei der Entstehung von Alzheimer können unsere Gene eine wesentliche Rolle spielen. Während bestimmte Genmutationen in seltenen Fällen die Erkrankung direkt verursachen (lesen Sie dazu unseren Beitrag Familiäre Alzheimer-Demenz: Seltene Gen-Mutationen als Ursache für Demenz), können verschiedene Genvarianten das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, erhöhen. Eines der bedeutendsten Risiko-Gene ist dabei eine bestimmte Variante des sogenannten ApoE-Gens.

Was ist das ApoE-Gen?

Das ApoE-Gen enthält den Bauplan für das sogenannte Apolipoprotein E (ApoE), ein bestimmtes Eiweiß, das an der Regulation des Fettstoffwechsels und am Cholesterintransport beteiligt ist. Es befördert wichtige Nährstoffe wie beispielsweise ungesättigte Fettsäuren zu den Nervenzellen. Außerdem ist es an der Reparatur und Beseitigung von Abfallprodukten in den Zellen beteiligt. 

ApoE tritt in verschiedenen Genvarianten auf. Am weitesten verbreitet sind die Varianten ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Jeder Mensch erbt zwei Kopien des ApoE-Gens, jeweils eine von jedem Elternteil. 

Bei der Entstehung von Alzheimer können unsere Gene eine wesentliche Rolle spielen.
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Menschen, die das ApoE4-Gen in sich tragen, haben ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Wie hoch das Risiko ist, hängt dabei von der Anzahl der ApoE4-Varianten ab. Personen, die eine einzige ApoE4-Kopietragen, haben ein drei- bis vierfach erhöhtes Risiko, eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln. Ein neun- bis 15-fach höheres Risiko weisen hingegen jene auf, bei denen das ApoE4-Gen in doppelter Kopie vorliegt. Wie häufig das ApoE4-Gen vorhanden ist, wirkt sich auch auf den Zeitpunkt aus, an dem die Demenz auftritt: Je weniger Kopien vorliegen, desto später kann der Betroffene an Demenz erkranken.  

Die genauen Mechanismen, die dazu führen, dass ApoE4 das Alzheimerrisiko erhöht, sind komplex und derzeit noch nicht abschließend erforscht. Dennoch gibt es Hinweise, dass die genetische Veranlagung mit ApoE4 gegenüber anderen ApoE-Ausprägungen die Entstehung von Alzheimer begünstigt. Darüber hinaus trägt ApoE4 zur Entstehung von Entzündungsprozessen im Gehirn bei, die Nervenzellen schädigen können.

Die neuen Antikörpertherapien, zu denen Lecanemab gehört, zielen darauf ab, das sogenannte Beta-Amyloid – fleckförmige Ablagerungen im Gehirn – zu reduzieren. Auch diesbezüglich ist der ApoE-Genotyp bedeutsam.Denn die aktuelle Studienlage zeigt, dass die Wirksamkeit von Lecanemab bei ApoE4-Trägern erheblich geringer ist, als bei Trägern der anderen ApoE-Varianten. Darüber hinaus wirkt sich der ApoE-Status auch auf das Auftreten von schweren Nebenwirkungen aus. Träger des ApoE4-Gens haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Verlauf der Therapie mit Lecanemab Hirnschwellungen und Hirnblutungen zu entwickeln. Der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zu Folge dürften deshalb nur Menschen behandelt werden, die entweder KEINE oder höchstens NUR EINE Kopie des sogenannten ApoE4-Gens aufweisen. Berechnungen des digiDEM Bayern-Forschungsteams (zu denen Sie in unserem Beitrag Neue Medikamente gegen Demenz: Behandlung mit Lecanemab mehr lesen), gehen davon aus, dass von den rund 3.624.000 Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen in Deutschland schätzungsweise ca. 2.915.000 über maximal eine Kopie des ApoE4-Gens verfügen. Von den rund 593.000 in Deutschland lebenden Menschen mit einer leichten Alzheimer-Demenz dürften ca. 494.000 maximal eine Kopie des ApoE4-Gens in sich tragen.

Quellen:

Kurkinen M. (2023). Lecanemab (Leqembi) is not the right drug for patients with Alzheimer’s disease. Advances in clinical and experimental medicine : official organ Wroclaw Medical University, 32(9), 943–947.

Raulin, AC., Doss, S.V., Trottier, Z.A. et al. ApoE in Alzheimer’s disease: pathophysiology and therapeutic strategies. Mol Neurodegeneration 17, 72 (2022). 

Yamazaki, Y., Zhao, N., Caulfield, T.R. et al. Apolipoprotein E and Alzheimer disease: pathobiology and targeting strategies. Nat Rev Neurol 15, 501–518 (2019).

Unser Lese-Tipp: In unserer Reihe SCHLAGLICHT – Neue Medikamente gegen Demenz informieren wir Sie rund um neue Wirkstoffe zur Behandlung der Alzheimer-Erkrankung. „Schlaglichtartig“ möchten wir Ihnen dabei das facettenreiche Thema „Neue Demenz-Medikamente und Herausforderungen für die Alltagsversorgung“ nahebringen. Die neuen Medikamente werden in der Wissenschaft und unter anerkannten Fachexperten aus der Medizin weltweit intensiv und kontrovers diskutiert.

SCHLAGLICHT_01: Neue Medikamente gegen Demenz 

SCHLAGLICHT Nr. 02: Neue Medikamente gegen Demenz – Ist unser Gesundheitssystem darauf vorbereitet?

SCHLAGLICHT Nr. 03: Neue Medikamente gegen Demenz – Hilfreiche Behandlungsalternative oder Mogelpackung?

SCHLAGLICHT NR. 04: Neue Medikamente gegen Demenz – Sind die neuen Medikamente bezahlbar?

SCHLAGLICHT_05: Neue Medikamente gegen Demenz – Studienergebnisse neu bewerten

SCHLAGLICHT NR. 06: Neue Medikamente gegen Demenz – Empfehlungen für die ärztliche Verordnung 

SCHLAGLICHT Nr. 07: Neue Medikamente gegen Demenz – Ein „Durchbruch mit Nebenwirkungen“

SCHLAGLICHT Nr. 08: Neue Medikamente gegen Demenz – Behandlung mit Lecanemab 

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