Es gibt zahlreiche Entlastungsangebote für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz. Doch sie werden nur selten in Anspruch genommen, wie eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zeigt. Woran liegt das?

Linda Karrer M.SC. und Kolleg*innen haben untersucht, welche Faktoren eine Rolle bei der Frage spielen, ob Angehörige Entlastungsleistungen nutzen. Dazu werteten sie die Daten des Bayerischen Demenz Surveys (BayDem) aus, einer Studie, die die Versorgungssituation von rund 700 Menschen mit Demenz und pflegenden Angehörigen in Dachau, Erlangen und Kronach über einen Zeitraum von zwölf Monaten untersuchte. In der aktuellen Analyse legten die Forscher*innen den Fokus auf die Inanspruchnahme ambulanter Unterstützungsangebote durch pflegende Angehörige. Da zwei Drittel der Menschen mit Demenz zuhause von Angehörigen versorgt werden, kommt dieser Personengruppe und der Frage nach möglicher Entlastung gesundheitspolitisch und gesellschaftlich eine besondere Bedeutung zu.

37 Prozent der Angehörigen fühlten sich schwer belastet

An der Studie nahmen zu Beginn 364 Menschen mit Demenz und 339 pflegende Angehörige teil. Die Demenzbetroffenen waren im Durchschnitt etwa 79, die pflegenden Angehörigen etwa 63 Jahre alt. Die Pflege wurde mehrheitlich durch Frauen geleistet (70,8 Prozent). Bei knapp der Hälfte der pflegenden Angehörigen handelte es sich um den oder die Partner*in.

Frau schiebt eine Person im Rollstuhl

Durch die Pflege ihrer Familienmitglieder fühlten sich rund 37 Prozent der Angehörigen schwer belastet, trotzdem war die Inanspruchnahme von Entlastungsangeboten gering. Ein ambulanter Pflegedienst wurde zu Studienbeginn lediglich von etwa 36 Prozent der Menschen aus dem ländlichen Raum genutzt, bei der städtischen Bevölkerung waren es rund 27 Prozent. Dabei war der ambulante Pflegedienst die am häufigsten in Anspruch genommene Unterstützungsleistung, bei weiteren Angebote wie Ergotherapie, Tagespflege oder hauswirtschaftliche Hilfen lag die Inanspruchnahme unter 20 Prozent. Insgesamt zeigte sich im Laufe des Beobachtungszeitraums, dass mehr Angebote genutzt wurden, je weiter die Demenz fortgeschritten war. So wurden beispielsweise nach zwölf Monaten deutlich häufiger Betreuungsdienste in Anspruch genommen.

Entlastungsangebote sollten drei Bedingungen erfüllen

Wie könnte man Angehörige dazu bringen, häufiger Entlastungsleistungen zu beanspruchen? Nach Ansicht von Karrer und Kolleg*innen ist es wichtig, dass die Angebote folgende Bedingungen erfüllen: Sie müssen in ausreichender Anzahl verfügbar sein und umfassend bekannt sein, etwa durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Zudem sollten sie niedrigschwellig nutzbar sein, das heißt beispielsweise vor Ort angeboten werden.

Die Entlastung pflegender Angehöriger sowie eine übersichtliche Darstellung vorhandener Angebote sind auch Ziele des „Digitalen Demenzregisters Bayern“, kurz „digiDEM Bayern“. Gestartet wurde das Projekt vor dem Hintergrund der BayDem-Ergebnisse, die gravierende Defizite im Bereich der Demenz-Versorgung aufzeigen. digiDEM Bayern untersucht nun die Versorgungssituation von Menschen mit Demenz und pflegenden Angehörigen in ganz Bayern und entwickelt u.a. digitale Angebote zur Unterstützung. Geplant sind beispielsweise eine „Risiko-Ampel“ für pflegende Angehörige und ein „digitaler Wegweiser“. Darüber hinaus werden Betroffene in allen bayerischen Regierungsbezirken zu ihrer Situation befragt. Die Angaben werden in ein digitales Register eingespeist. So sollen Versorgungslücken aufgezeigt werden, um die Lebensbedingungen von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen nachhaltig verbessern zu können.   

Die vollständige Studie finden Sie hier:

https://eref.thieme.de/ejournals/1439-4421_2020_01#/10.1055-a-1071-7851